VON JULIE LEMPPENAU AUS CANNSTATT

lfndenr: 
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1. September 1865

Lieber Herr Feldner!

Unsrem Versprechen zu Folge, ergreife ich die Feder, um Ihnen einige Zeilen von uns zuzusenden. Mit viel Freude erin­nern wir uns täglich unseres schönen Reischens in Eure friedliehen Berge, es gefiel uns gar wohl, u. ohne Ihnen schmeich­len zu wollen, darf ich nicht verschweigen, daß auch Ihre Bekanntschaft, nicht wenig beigetragen, den Reiz zu erhöhen, wir sprechen recht oft von Ihnen, u. freuen uns jetzt schon auf künftigen Sommer, wo wir hoffen, daß Sie, Ihren ver­sprochnen Besuch zur Ausführung bringen, gewiß gefällt es Ihnen auch bei uns einige Zeit, wo freilich das Leben so ganz verschiden von dem Ihrigen ist. - Nun haben wir uns wider ganz in unser Berufsleben eingewöhnt, was einige Tage etwas schwer gehen wollte, das freie unbekümmerte Leben, das man beim Reisen führt, hätte uns schon noch einige Tage behagt, allein, besonders mein I. Vater wurde sehr vermißt, u. mußte sich gleich mit voller Kraft in sein Amt werfen, das ihn auch so in Anspruch nimmt, daß er dißmal keine Zeit findet, Ihnen einen längeren Brief zu schreiben, weßhalb er nur weniges dem meinen beifügen wird. Grüßen Sie H. Greißing, seine Mutter u. H. Pfarrer Rüscher, ich will sehen, ob die bei­den Herrn sich entschließen unser Schwabenländchen zu sehen?

Herr Stettner schickte uns noch keine Bücher, wir freuen uns sehr auf Ihr (Schwarzocaspale) da wollen wir uns recht hin­einleben in unsre freundlichen Wälderleute. Grüßen Sie Ihr I. Wieble, u. behalten Sie in freundlichem Andenken, bis wir uns Wiedersehen Ihre

Julie Lemppenau

BEILAGE: VON JOHANN  LUDWIG LEMPPENAU AUS CANNSTATT

Cannstatt, d. 16. 9. 1865.

Mein lieber Herr Felder!

Gar gerne hätte ich Ihnen einen ausführlichen Brief geschrie­ben, u. Ihnen namentlich die mancherlei Beschwerlichkeiten mitgetheilt, die wir auf unserer weitern Reise zu bestehen hatten. Meine Amtsgeschäfte gestatten dieß aber momentan nicht, und konnte ich heute erst dazu kommen, dem Briefe meiner Tochter Julie, einige Zeilen beizufügen. Ich muß mich also darauf beschränken, Sie zu versichern, daß die Erinne­rung an unsere Reise in den Bregenzer Wald u. an Ihre Bekanntschaft zu meinen angenehmsten gehört, u. daß wir uns Alle herzlich freuen, Sie, so Gott will, im nächsten Jahre bei uns zu sehen.

Zur Erinnerung an Uns, sowie als einen kleinen Beweiß der aufrichtigen Achtung, die wir für Sie u. Ihre Frau hegen, über­sende ich Ihnen anbei eine kleine Ansicht von Cannstatt, damit Sie sich zugleich auch überzeugen können, daß wir in einer freundlichen Gegend wohnen, die schon eines Besuches werth ist.

Die Bücher von Herrn Stettner sind inzwischen angekommen. Mit den Ihrigen Sie von Herzen grüssend bin ich Ihr ergebenster Stadtschultheiß

Lemppenau.

 

Keine