KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
159
15. November 1865

Lieber Freund!

Mein Bruder sagt mir, daß Du jetzt so stark und gut dran seiest, wie noch nie, und daß Du fleißig am Schreibtisch arbeitest. Nun, das freut mich und ich gratuliere zu Deinem Wohlbefinden. Jakob nämlich, der werdende Hochzeiter, ist der Bruder, der dies sagt und mit seiner künftigen Braut mich eben besucht. Er sagt auch, daß Du jedenfalls zu seiner Hochzeit kommen werdest. Nun, es wäre zwar vielleicht abenteuerlich, aber interessant, wenn wir uns mitten im Hochwinter auf Warth ein Rendezvous gäben, und ich werde daher, wo möglich, auch dahin kommen. Meine verfluchten Bluteiße, die mich diese Zeit her traktieren, werden bis dahin wohl den Weg alles Irdischen gegangen sein, daß dann nichts mehr im Wege steht, dem Geber aller Freuden frisch und frei Jubeltänze zum Opfer zu bringen. -

Die Übersiedlung ist ganz gut vonstatten gegangen und wir haben uns hier bereits schon eingelebt. Wir haben ein schöneres und angenehmeres Quartier als in Dornbirn, nur die Aussicht kann nicht mehr so schön sein. Wer als Gast zu uns kommt, wird auch besser wohnen und ruhiger, da die Gastzimmer weiter von den Wohnzimmern gelegen sind und das Kindergeschrei nicht dahin dringt. Komme daher und sehe. -

Seit ich hier bin, bin ich noch nicht recht zu ernsthafterem Studium gekommen; unsere Staatsfragen absorbieren in freier Zeit fast alle meine Aufmerksamkeit. Ich danke dabei häufig im stillen Gott, daß er mich Ungarn hat sehen lassen. Dieses Land, das den meisten Deutschen ein Rätsel ist, übt einen Ungeheuern Einfluß auf uns aus, und es ist ein Unglück, daß wir es nicht besser kennen. Der Deutsche könnte von den Ungarn sehr viel lernen, obwohl er in seiner Blödigkeit es nicht meint. Er wird es schwer büßen, wenn er nicht lernt, frei zu sein, wie der freie Ungar es ist. Ungarn ist ent­schieden das demokratischeste Land in Österreich und ist auch dort am meisten Freisinn zu Hause. Es wird bald ein Höllenlärm in Österreich entstehen, wie noch nie, da in allen Landen getagt und gestritten werden wird, und Du wirst mir dann sagen, ob auch Schallwellen in den hintern Wald getrieben worden und wie sie sich an den dortigen, meist republikanischen Bergwänden reflektieren. Wir Bürokraten stecken den Ungarn heiß im Fleisch, und sie können nicht schlafen, so lange sie unser Schnarchein hören. Ich bin be­gierig, ob es ihnen gelingt, uns in der Westhälfte wegzubla­sen, wie es ihnen in der Osthälfte bereits gelungen ist. Wenn ja, so werde ich ein Käshändler oder etwas dergleichen und werde mit Leib und Seel für die Erweiterung und Consoli­dierung der Volksrechte arbeiten, denn dann, aber erst dann - ist die Bahn frei, die die Deutschen frei zu machen zu miserabel sind. -

Doch was politisiere ich, ohne zu wissen, ob Du dem jetzigen Gang der  Ereignisse  folgst oder  nicht.  Schreibe  nur  bald, damit ich sehe, woran Du bist und ob mein Plaudern Dein Ohr offen oder geschlossen gefunden. Mit freundlichstem Gruß Dein Freund

K. Moosbrugger

Keine