KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
162
16. Dezember 1865

Lieber Freund!

Unsere letzten Briefe haben sich gekreuzt und in folgendem wird Dir Antwort auf den Deinigen:

Unser Unfall bestand darin, daß das Pferd, das die Theres, ihren Bruder Franz und mich von Nüziders heimzuführen die erhabene Aufgabe hatte, bei Bludenz erwildete und durch­ging. Der Wagen wurde umgeschleudert und zerbrochen und wir flogen übereinander auf die kiesbelegte Straße. Wir wurden am Körper und an den Kleidern unbedeutend ver­letzt, der Fuhrmann aber soll jetzt noch nicht kuriert sein. Nächst dem Fuhrmann ging mir die Affäre am härtesten an, da ich etwa drei Wochen lang pflastern und salben mußte, indem ich Hautabschürfungen an der linken Hand hatte, deren Heilung durch den Gebrauch der Hand (Schreiben) verzögert wurde. -

Nach weitern Heften von Westermann habe ich keine Sehn­sucht, obwohl mir der Aufsatz über Steinkohlenbildung sehr gut gefallen hat. Der Verfasser wendet die wissenschaftliche Methode Lassalles an, d. h. die Methode, die auch Lassalle angewendet hat, und ich sehe, daß dieselbe auch auf natur­wissenschaftlichem Gebiet höchst befruchtend ist. Das war mir das Interessanteste, was ich in diesen Heften gefunden habe. Was darin über Lassalle steht, ist in dem Genre der Julian Schmidtschen Literaturgeschichte geschrieben. In Eurer Wuhrsache findet der alte Rechtssatz: Summum jus Summa injuria (das stärkste Recht ist das stärkste Unrecht) neue Bestätigung. -

Wenn die Gschwinder mit den ändern sich zu gemeinsamer Wuhrung verstanden, ohne Vorbehalt und Nebenbedingung verstanden, gut, so müssen sie eben mit den ändern gemein­sam wuhren, und alles übrige, auch ihr Eigentum, den ändern überlassen, d. h. das Übereinkommen entscheidet. ­Den Gschwindern geschieht freilich hart, aber eben deshalb geschieht ihnen recht. - Eine klare und gründliche Antwort ist daher: Die Gschwinder sollen sich nicht steifen und Du sollst ihnen nicht recht geben, die Sache soll verglichen werden, und sei es auch, daß die Gschwinder ohne Vorbe­halt und Nebenbeding einfach ihrer eingegangenen Ver­pflichtung gemäß handeln. -

Aus der Praxis:

Ein Praktikus gibt nicht leicht einem Streitteil recht, das Recht­geben macht hart und steif und erschwert den Ausgleich, der doch laut Schwarzokaspale zu den guten Traditionen des Waldes gehört. -

Ich und Familie sind gesund und wohl und, so Gott will, treffen wir uns in der Warth. Meine Aufmerksamkeit ist eifrig den Staatsvorgängen zugewendet, sie sind aber so interessant, daß es sich der Mühe lohnt.

Der Redakteur der Feldkircher Zeitung wird in Bälde nach Amerika auswandern, ich kam unlängst mit einigen Partei­gängern desselben (Realschulprofessoren) in Disput und es gelang mir, sie zur Waffenstreckung zu bringen.  Übrigens stimmte mich der Vorgang traurig, da ich bedachte, daß solche Leute eine Rolle in unserm Vaterland spielen. ­Schreibe bald. Mit freundlichstem Gruß. Dein Freund

K. Moosbrugger

Keine