KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
448
26. Dezember 1867

Lieber Freund!

Dein Wertes vom 21. habe ich heute erhalten sowie die Gartenlaube. Ich will mich vor allem dessen entledigen, was mir zumeist am Herzen liegt. - Wenn sich Weiber und Pfuscher beim Schneider eingenistet haben, dann hilft bloßes Predigen allerdings nichts. Da muß man energisch auftreten und mit Gewalt den Damm der Vorurteile brechen. Ich habe anliegenden Brief für den Schneider geschrieben, den Du lesen und dann versiegelt dem Schneider mit dem zuschicken sollst, daß ich ihn in einem Brief an Dich geschickt habe. Dich ersuche ich aber, den Dünser nicht bloß zu schicken, sondern gleich mit ihm zum Bruder zu gehen und auf diese Weise kurzen Prozeß zu machen. Sollte wider Erwarten der Bruder sich weigern, die Hilfe und ärztliche Behandlung des Dünser anzunehmen, so soll er wenigstens die Untersuchung durch denselben gestatten und ihm alles über die Entstehung des Leidens, dessen Entwicklung und die angewendeten Mittel bekanntgeben, damit Dünser mir die Krankenge­schichte und Gutachten schicken kann, um was ich ihn ersucht haben will. Falls er den Bruder nicht in Behandlung über­nimmt, möge er mir auch mitteilen, ob die angediehene Behandlung geeignet ist oder nicht. -

Was ich über die Leidensgeschichten meiner zwei Brüder hören muß, ist mir Beweis, daß noch viel düsteres Gewölk in Euern Bergen sich lagert, wo man bereits lautere Heiterkeit gewähnt hat. - Die Liebeszeichen werde ich nächstens lesen und freue mich darauf. Um eine Kritik Deines neuen Romans von mir wirst und darfst Du nichts geben, da ich kein Mann von Fach bin und die einschlägige Literatur nicht kenne. - Von dem neuen Vereinsgesetz, von der Anbeiterbewegung in Wien, von den neuen Verfassungsgesetzen wirst Du wohl gehört haben, vielleicht auch von der Aufforderung des Sozialdemokrat an uns. Wenn wir Erlösung wollen, müssen uns diese Dinge nahe anliegen, näher als alles andere. Weil ich gar keinen bezüglichen Anklang in Deinem Brief finde, wohl aber, daß Du vor lauter Literatentum kaum mehr zum Zeitungslesen kommst, werde ich über das in Deiner öster­reichischen Geschichte schon erwähnte Leipziger Literatentum nachdenklich. - Doch diese fliegenden Zeilen sollen dem Bruder gelten, über den ich bald Besseres zu hören hoffe. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund  K. Moosbrugger

Alles Gute zum neuen jähr!

Keine