KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
613
2. Oktober 1868

Lieber Freund!

Dein Schreiben vom 24. v. Ms. ist mir sehr erfreulich, da ich sehe, daß Du wieder auflebst. Ich bin begierig auf die Zusendungen, die Du erwähnst, insbesonders auf den Hilde­brand'schen Brief, da ich die Gründe hören möchte, nach denen jetzt Deine Selbstbiographie rätlich wäre. Nach den Erfahrungen, die ich auf dem Gebiet des Geistigen gemacht habe, gewinnt der Mensch, der Stärkung und Hebung sucht, diese mehr, wenn er sich in das Höhere, Allgemeine, Göttliche vertieft als in das eigene Ich, mehr in der Hingabe, in der Opferung des Ich als in dessen Selbstbeschauung. Wenn bei letzterer auch klar wird, wie uns Gott wunderbar und liebe­voll geleitet hat, so ist das mehr eine Erweiterung des Wissensbereichs als eine Vermehrung der geistigen Kraft. Wie der physisch ermüdete Mensch seine Kräftigung im Schlaf sucht und findet, so der geistig müde die seine im Selbst­verzicht, in der Hingabe. Unsere Aktivität ist im großen und ganzen nur dann eine glückliche, wenn wir die hohe, gott­ebenbildende Kunst der Passivität gelernt und geübt haben. -

Die Frau des Feurstein in Bezau hat unter anderm meiner Schwägerin in Schruns davon geschrieben, daß man jetzt erst, nachdem der Schmerz Dich so heimgesucht, von Dir Schönes und Großes erwarte. Ähnlich scheinen Deine Freunde die Sache anzuschauen. Ich muß sagen, mir, subjektiv, kommt diese Anschauung hart, peinlich vor. Möge sie Dir in besserem Licht erscheinen. -

Nach Götzis kann  ich der bereits angeordneten Verhand­lungen am 6. und 8. d. Ms. wegen nicht gehen. Ich muß abbrechen, weil die Post geht. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund   K. Moosbrugger

Keine