KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
636
6. Dezember 1868

Lieber Freund!

Deine zwei letzten Briefe haben mich recht gefreut, da in denselben ein harmonisches Zusammenwirken ungebroche­ner, noch viel versprechender Kräfte sich erkennen läßt. Das Sonett ist trefflich und an die Adressen verteilt. Den Brief an die, wie es scheint, von Ehrgeiz geplagte Hedwig Gaßner werde ich besorgen. -

Auer Burschen sind allerdings imstande, eine respektable Ver­schwörung zusammenzubringen. Mir ward es im Jahre 1861 und 1862 klar, wie ein Häuflein dieser Auer die Kraft haben konnte, der mächtigsten Kirchengemeinschaft der Welt und der populärsten weltlichen Obrigkeit zu trotzen und lieber als Verworfene auszuwandern, als ihrer neuen Überzeugung zu entsagen.

Wie leicht diese verkommenen Gewohnheitsdusler für einen Gedanken zu gewinnen sind und mit welcher musterhaften Disziplin sie sich ihm unterordnen, habe ich selbst erfahren. Das Faschingdienstagstückl vom Jahre 1862 ist psychologisch eine Heldentat, deren wirklich nur Auer fähig sind und auf die die Täter mit Recht immer stolz sein können. Einige ver­kommene Burschen verschworen sich gegen die bornierte Obrigkeit und setzten unvermerkt eine Demonstration in Szene, worüber die Obrigkeit sich derart entsetzte, daß sie vollkommen den Kopf verlor und in die gröbsten Lächerlich­keiten verfiel, z. B. die komische Gegendemonstration in der Sonne, die illoyale Amtierung des bezirksamtlichen Abgeord­neten und schließlich das totale Abgehen von früher gefaßten Gemeindebeschlüssen und Außerkurssetzen der maßgeb­lichen Persönlichkeiten in der Gemeinde. Unsere stramme Disziplin und legale Haltung imponierte den besiegt sich fühlenden Gegnern derart, daß sie sicher heute noch im Innern uns Dank wissen, daß wir vom Sieg so bescheidenen Gebrauch machten. Dem Bezirksrichter Mathis merkte ich, als ich einmal hier das Gespräch auf jene Vorkommnisse, die ihm sehr viel Kopfarbeit machten, lenkte, Ähnliches sehr wohl an. - Wenn verkommene Auer Burschen /: Schmidlebub und Adlerwirt, Witwer von dazumal etc. :/ einem Gedanken gegenüber, der nichts weniger als einer Begeisterung würdig und fähig ist, eine solche hervorzurufen, sich so tapfer hielten, wessen sind diese fähig, wenn eine Idee sie ergreift, die wirk­lich eine hohe und große ist und die Kraft zeigt, eine Welt­revolution in Aussicht zu stellen. - Welchen unerbittlichen Trotzes ein Auer Proletarier fähig ist, weiß ich, wenn ich mich selbst anschaue, und diese Proletarier können nicht bloß, sie müssen sich verschwören, wenn sie ihre Blutsauger kennen und die Mittel, sie zu bewältigen; sie werden auch nicht lange warten, wenn sie den vom Dämon gepeitschten Krämer zum Brandstifter werden sehen, bis er in die Flamme springt, sondern werden ihn einfach hineinwerfen und die Fähigkeit erweisen, Organe der rächenden Nemesis zu sein. Wenn man im Jahre 1868 ein Buch schreibt ,Reich und Arm' und die Handlung in die Au verlegt, so gebietet der Ruf eine groß­artige Behandlung und sollte keines Schillers bedürfen. -

Bezüglich der Verpachtung Deiner Güter würde ich wohl ausschließlich dem Gutachten der Mutter folgen. Könnte diese nicht hierin ein Provisorium vermuten, das Du noch für ihre restliche Lebenszeit triffst? Das wäre für sie gewiß schmerz­lich. -

Auf Deine Biographie bin ich nach dem vorletzten Brief begierig und würde, um einen Vorgeschmack zu erhalten, einige Brocken gerne zu Gesicht bekommen. -

Jetzt noch Einiges davon, wie ich in neuerer Zeit von dem Frauengeschlecht beansprucht werde.

Daß ich der Berater und Beistand meiner Tante in Rehmen sein mußte, ist alt. Ein gut Stück meiner Kraft brauchte ich, um den Gemütsdruck zu parallelisieren, den mir der Tod Deiner Gattin verursachte. Die Nann und ich sind in unserer Familie immer nebeneinander gestellt worden, und ich hatte bei meiner letzten Anwesenheit in Au deshalb nebst dem allgemeinen Schmerz der Familienglieder noch einen ganz aparten zu erdulden. Die wehmütigen Blicke, denen ich bei meinen Geschwisterten begegnete und die eine unsägliche Sprache sprachen, die zu ertragen und zu verwinden, unter jenen Umständen zu verwinden, erforderte viel, viel. Um jene Zeit suchte Augusta Rhomberg, Tochter des Jakob Rhom­berg in Dornbirn, ein sehr talentvolles, kräftiges Frauen­zimmer, einstige Geliebte des Dr. Waibel, nach harten Schick­salsschlägen bei mir eine Stätte, um ein angenehmeres Dasein zu genießen. Sie ist seither bei mir, und kann Pius Dir manches von ihr erzählen. Seine Kritik wird aber etwas hinken. -

Die Witwe des Jakob Moosbrugger, meine Schwägerin in Schruns, scheint es trotz meines Widerstrebens beim Gericht in Schruns nun durchzusetzen, daß ich als Mitvormund ihr bestellt werde. Da Moosbrugger ein reines Aktivvermögen von 36.000 Fl. hinterließ und darunter einen Fabriksanteil, ist diese Bestellung kein Spaß und umso weniger, weil der zweite gleiche Fabriksanteil der Frau Stöckl in Bregenz, Schwiegermutter des Feurstein in Bezau, gehört, die unter jene Wälderinnen zu zählen ist, welche laut Arm und Reich einst das Land regierten. -

Ist das nicht eine leise Ironie des Schicksals, daß ich ein Mit­regent einer Bourgeois-Fabrik werden muß? -

Der Schweizer Hirzel hat seine Sache sehr gut gemacht. Fast interessanter ist mir die Kritik der Kirchenzeitung. ­Die vom Ministerium des Ackerbaues herausgegebene Bro­schüre ,Zur Hebung der Alpenwirtschaft' ist sehr wertvoll und sollte im Bregenzerwald, obwohl dieser vom Verfasser völlig ignoriert wurde, fleißig gelesen werden. Allerdings hat sie großartige Schattenseiten. Wenn ich Zeit und Muße gewinne, werde ich über die Industrie des Bregenzerwaldes etwas schreiben und allerlei Anträge machen, die zur För­derung des Assoziationswesens dienen sollten. Hiebei hätte auch unsere Assoziation eine Rolle zu spielen, mit der wir uns schon sehen lassen dürfen. Mit Neujahr 1868 stellte sich bei der vorgenommenen Inventur eine Verminderung des Schuldenstandes per 900, eine Vermehrung des Aktivstandes per 900 und eine Vermehrung des Viehstandes per 1200 Fl. innerhalb der drei Jahre des Bestandes der Assoziation heraus, somit ein Vorhausen per 1000 Fl. jährlich oder eine 5pro­zentige Verzinsung des Stammvermögens und ein jährlicher Arbeitslohn per 100 Fl. ö. W. für jedes Mitglied über die Deckung aller Bedürfnisse der wirklich Arbeitenden. Dieses Jahr wird voraussichtlich relativ das Beste sein. ­Diese letzte Mitteilung ist Vertrauenssache, und behalte sie daher für Dich. -

Der Pius soll der Augusta schreiben. Schicke mir gelegentlich auch das Manuskript von Vonbun. ­Bei uns alles gesund und wohl. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

K. Moosbrugger Schreibe bald wieder!

Keine