AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
529
3. Mai 1868

Lieber Freund!

Endlich! Es ist ein ganz eigenes Gefühl mit welchem ich dieses Wort niederschreibe. Grad vor 2 Jahren und 2 Tagen hab ich Dir - nicht ohne Bangen die Sonderlinge von Bludenz aus übersendet. Die Aufnahme und sonst so vieles hat mir seitdem Muth gemacht. Ich habe mich an eine große, ja viel­leicht die wichtigste Frage gewagt. Ob man mit der Lösung die sie da findet, einverstanden sein wird, weiß ich nicht. Mein Roman will aber keine Tendenzschrift sein. Er schließt anderes nicht aus, und der Verfasser ist zufrieden, wenn man eine Minute lang sich an seinen Gestalten freut, oder sich zum Nachdenken über die Frage angeregt fühlt. Doch ich will Dich nicht mit einer Einleitung plagen. Lies das Ganze und sage mir offen was Du findest. Lieb war mir es schon, wenn ich recht bald etwas hörte. Hab ich mir doch in den letzten Tagen kaum noch Zeit gelassen. Aber Du wirst Dich halt auch nicht gleich dazu hinsetzen können. Dann aber bitte ich Dich, mir wenigstens den Empfang der Sen­dung und später allenfalls den Ersten Eindruck zu melden. Den ersten Theil hast Du zwar vor einem Jahr da neben mir gelesen, während ich an den Liebeszeichen schrieb, aber dar­auf durftest Du Dich nicht verlassen, da in Form u Inhalt manches geändert wurde.

Hirzeln hab ich ein Briefchen beigelegt, welches Du lesen und ihm dann gelegenheitlich übergeben kannst. Noch hab ich, es fällt mir eben ein, nichts von meinem Gartenlaube­Artikel gehört; Du wirst ihn doch erhalten haben? Begierig bin ich auf die Übersetzung der Sonderlinge und ihr Schicksal. Es freut mich das schon an und für sich und ich hoffe, daß dieses Ereigniß auch Hirzeln meiner neuen Dich­tung etwas günstiger stimmen werde.

Allmählig wirds hier denn doch Frühling und die erste Feld­arbeit beginnt. Du glaubst nicht, wie froh wir das Grün, die ersten Blumen begrüßen! Mich treibts in Feld und Wald, obwol der Schnee noch nicht weg ist. Hier wollen mir schon neue Gestalten erscheinen, aber erst will ich nun ruhen, und Frühlingsluft in mich aufnehmen. Die Meinen sind wohl. Feurstein in Bezau läßt Dich grüßen. Ich hätte auch sonst noch viele Grüße an Dich auszurichten von denen die Dich hier kennen lernten. So fragt Dir die Rößlewirthin in Au bei jeder Gelegenheit nach. Heut ist Kirchweih in Au. Es ist also ein Jahr, seit ich mich zur Flucht entschließen mußte. Ich gehe auch noch hinunter und schreibe Dir in größter Eile.

Grüße mir die lieben Deinen und alle die mich noch nicht

vergessen haben.

Mit Gruß und Handschlag

Dein dankbarer Freund und Ruhestörer

Franz M Felder

Keine