AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
582
27. August 1868

Liebster Freund!

Dein Brief kam zu mir in bösen bangen Stunden. Seit 8 Tagen leidet mein gutes Wible am Nervenfieber. Vorgestern ward es von unserm frühern Pfarrer Stockmaier, der gerade hier und Rüschern sehr im Weg ist, mit den Sterbsakramenten versehen. Es war eine furchtbare, ewig scheinende Nacht. Ich war alein am Bett, weil die Kranke sonst niemand wollte, als mich um mir zu erzählen, zu klagen, was sie im Fieber sah und empfand. Gestern schlief die Kranke ziemlich ruhig, wenn sie erwachte, redete sie aber noch verwirrter als vorher. Eben hat mich Pfarrer Herzog verlassen. Wir unterhielten uns mehrere Stunden. Über das Kasino hat er meine Ansicht. Letzten Sontag war in Au das Gründungsfest. Der bekannte ultramontane Zollparlamentsabgeordnete Dr Lindau u meh­rere Gäste aus dem Badischen hielten Festreden. Ich trat natürlich unter diesen Umständen nicht bei, war aber vor der Erkrankung des Wible bemüht eine „unparteiische" Ge­sellschaft zu bilden. Lebe wohl. Herzliche Grüße an alle von Deinem Freund

Franz M Felder

29 August

Ich bin so vielfach weggerissen festgehalten und gedrückt, daß ich selbst an Dich kaum noch einen Brief zu Stande bringe. Fremde Hände walten im Hause, die armen Kinder, auch der noch nicht ganz wieder hergestellte Jakob - rufen der Mutter - aber ihre klangvolle Stimme hört man nicht mehr, als wenn das Fieber aus ihr redet und mich fast zur Verzweiflung bringt. Besser freilich gehts jetzt aber noch nicht gut. Doch das Dökterle wähnt die Gefahr vorüber. Ich will ihm glauben und muß.

Ich dachte Dir viel interessantes zu schreiben. Es war uns so wohl noch vor kurzem, und in dieser Frühlingswärme wollte gar wunderliches Zeug zu erblühen beginnen. Aber es soll nun einmal nicht sein, daß ich mich recht behaglich fühle auf der Welt. Kämpfen, schweigen, in mir verarbeiten, das ist mein Theil geworden.

Mit dem 2 ten Theil von Reich und Arm machs nur wie Du gesagt hast. In der Stelle, die du erwähntest, ist Hansjörgs Schwester gemeint. Du kannst also statt seiner Hansjörgs sanfte - setzen.

Ich schreib auch bald wieder und hoffe dann Besseres be­richten zu können.

Keine