AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
258
28. November 1866

Abends Lieber Freund

Der letzte Brief von Ihnen hat mich, wie jeder, schon uner­öffnet recht herzlich gefreut obwol ich noch keine, und am wenigsten diese Auskunft über meine Sonderlinge erwartete. O ich wollte auch Sie hätten gesehen, wie ich aus meinem Zimmerchen in die Stube eilte um meine Freude mit meinen Lieben zu theilen, dem Wible das mir immer treu zur Seite stand und der Mutter, die ihres angefeindeten verlästerten Sonderlings wegen schon so viel viel hat ausstehen müssen. Ja lieber Freund! wenn Sie das und alles so gesehen hätten, dann wüßten Sie auch, wie ich, wie wir Ihnen danken möch­ten. Schreiben kann ich es Ihnen doch nicht. Wenigstens kommen mir diese Zeilen so arm vor, daß ich froh bin, die von Ihnen mir gegebene Gelegenheit benutzend, Sie an selbsterlebtes erinnern zu können. Aber als Ihnen Sich Ihre schöne Laufbahn aufthat, da waren Sie lange nicht, wo ich war und ohne Sie wol immer bleiben würde. Ich armer, freundloser Tropf möchte nun so gern etwas Rechtes für Sie thun, aber ich könnte Ihnen gar kein Freudle machen, wenn ich Sie aus Ihren lieben Briefen nicht genug kennte um zu wissen daß auch das Bewußtsein, einen Menschen glücklich gemacht und ihm Muth und Schaffenslust gegeben zu haben, Sie erfreuen würden mehr als meine Worte es könnten. Aber, lieber Freund! lassen Sie michs offen sagen, eins in Ihrem Briefe hätte mir fast weh gethan. Sie schrieben mir, daß ich Sie nun wol nicht mehr groß brauchen müsse. Sie werden doch wills Gott damit nicht meinen daß ich mich nun nicht mehr so oft an Sie werde wenden können, bittend, erzählend, Rath, Trost oder Hülfe suchend, wie der Freund an den Freund. O ich stehe so alein in der Welt und war bisher nirgends als in meinem Hause verstanden, nirgends recht glücklich als da. Ich hoffe daß diese Sorgen grundlos sein werden und doch hab ich Sie fragen müssen. Die Ihnen zugeschikte Broschüre ist, wie Sie sagten, nicht von mir geschrieben, obwol ich was ich Ihnen geschrieben zu haben glaube, bei der Sache nicht unbetheiliget bin. Über Lassalles Wirken sind die Meinungen sehr getheilt wozu viel­leicht häufig seine leidenschaftlichen Ausleger auf beiden Seiten Veranlassung gegeben haben. Ich kann weder in sei­nen Schriften noch in den Unsern Haß gegen die Reichen als solche finden. Der Kernpunkt seiner Schriften ist das allge­meine Wahlrecht, das andere soll die Massen in die Bewe­gung ziehen wie er das in seinem Arbeiterlesebuch ausein­andersetzt. Das Wahlrecht wird aber die Besitzenden wol um keines der Rechte bringen die ihnen kraft ihres hohen Bil­dungsgrades gebühren. Nur die Vorrechte des Kapitals ge­genüber dem Arbeiter werden in ihr wahres Licht gesetzt. Wir Bregenzerwälder hatten und übten Jahrhunderte das all­gemeine Wahlrecht und unsere alten Gesetze beweisen, welch eine treffliche Volksschule es ist. Jene Zeit ist vorbei aber die Erinnerung an sie lebt noch im Gedächtniß und noch mehr im Wesen des Volkes fort. Sie da droben werden dieses Recht bald haben, auch wir wollen es. Wir forderten es wenn wir auch fürchteten, hier nicht durchzudringen. Un­sere Liberalen wünschen kein einiges Deutschland, da sie den österreichischen Markt und den Schutzzoll brauchen. Sie sorgen nur für die „Manufakte der Fabrikation" nicht für uns wie Sie in der Feldkircher Zeitung vom 4 August, die ich Ihnen schikte, sehen können, ich habe damals nicht ohne Erfolg einen bedeutenden Schritt gethan. Doch genug hievon und schon zu viel, so daß ich Sie bitte diesen Brief nie in fremde Hände zu geben nie zu veröffent­lichen.

Wenn ich die entlehnten Blätter behalten könnte, ohne mei­nem Beuteichen allzuweh thun zu müssen so wäre mir das sehr lieb. Es läßt sich aber nur auch versuchen wie es gehen wird, leb werde mich nun wieder mit neuem Fleiß und neuem Muthe meiner Lieblingsbeschäftigung zuwenden. Freie Zeit hab ich jetzt schon, denn die „Arbeit" und die Wege sind verschneit (in unserm Dorf hats 4 Fuß Schnee) und den letzten Vorsaßlern donnern auf dem Heimweg tod­drohende Lauinen entgegen wie meinem Sepp. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie es mich nun auf das Erscheinen des Werkes freut. Bis heute wagte ich mich nie recht der Hoffnung hinzugeben, daß Hirzel es drucken werde. Viele trübe Erfahrungen, zwar nicht bei den Buchhändlern, haben mich sehr - vorsichtig im Hoffen gemacht. Ja lieber Freund, es wäre schön auf der Welt und man würde ein ganz anderer, wenn Einem nur so liebe, aufopfernde großmüthige Men­schen begegneten wie Sie. Ich wenigstens habe noch nie so einen Freund gefunden und wol die Wenigsten und dieses Bewußtsein, daß ich doch auch etwas, und etwas sehr Großes vor Tausenden voraus habe versöhnte mich mit meinem Schiksal. Sie dürfen nicht etwa glauben daß ich Ihnen, mei­nem lieben Freund, in meinem Leben die erste Schmeichelei sagen werde. Aber eben weil ich so an Ihnen hange, dürfen Sie mich nicht verlassen. Wer von starker Freundeshand ge­führt, einen Felsen erklimmt, der darf auch droben nicht allein gelassen werden. Schon jetzt wieder muß ich mich um Ihren Rat bittend, an Sie wenden und einige Fragen an Sie richten: Ich weiß nicht, wie es mit den Corecturbogen anzu­fangen sein wird, da ja ein Brief von Ihnen zu mir im besten Fall 5 - sonst 8 Tage braucht. Am besten wärs wol, wenn mehrere Bogen auf einmal geschikt werden könnten, lesen möcht ich die Corectur doch auch. Und nun noch Eins. Ich möchte Herrn Hirzel keine Bedingungen machen, daß er etwa, dadurch verletzt, noch gar ablehnen würde. Auch glaub ich, Ihm die Sache überlassen zu dürfen. Lieb wäre es mir, wenn Herr Hirzel, im Fall daß Sie das nicht abmachen könn­ten oder möchten, mir gleich auch seine Bedingungen mit­theilte daß ich dann gleich. - ja sagen könnte und so die Sache nicht mehr verzögert würde. Herrn Dr Landgraf werde ich nächstens einen Brief an Sie übersenden, wenn Sie die Güte haben werden ihn zu adressiren. Unser Zusammenkommen und Miteinandergehen bestättigt wieder einmal recht die alte Redensart: Wenn man einem den Finger reicht, will er die Hand, und hat er auch die, so wird man ihn gar nicbt mehr los.

Und Sie sagen ich werde Sie nun nicht mehr brauchen. ­Ich hätte Sie freilich nicht so lang in Anspruch nehmen sollen, da ich Ihnen doch nicht sagen kann was ich Ihnen sagen möchte, aber draußen stürmts und tosts und auch in mir ists noch nicht ruhig von der Erregung des heutigen Tages. Den Zustand, in dem ich mich befinde, würden immer nüchterne Leute Schwärmerei nennen, nun gut, dann schwärme ich für Sie.

Und nun leben Sie wol. Mein Wible hat mir aufgetragen, ja die herzlichsten Grüße an Sie nicht zu vergessen. Lauter solche Tage, wie der den ich heut erlebte wünscht Ihnen Ihr ewig dankbarer Freund

Franz Michael Felder

Keine