VON HANS KODERLE AUS BEZAU

lfndenr: 
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24. November 1866

Lieber Herr Felder

Eben habe ich um 11 Uhr Vormittags Ihren Brief erhalten, ging allso gleich zum Feuerstein, ließ ihm den ihm betreffen­den Theil lesen. Er sagte er kommt Morgen nach Au auf Kirch­weih wohin er die gewünschten Bücher mitnimmt wo er Sie zu treffen sicher glaubt. Auch wird er betreff der Anleihe dort mit Ihnen sprechen. Trachten Sie also dorthin zu kommen. Da der Bothe um 12 Uhr abgeht so kann ich nur in größter Eile Etwas über den Inhalt meines letzten und Ihres Schrei­bens beifügen. Als Sie letztesmal in Bezau waren habe ich per Zufall erfahren, daß Sie dort mehreren, darunter selbst dem Dr v. Andelsbuch König Vorsteher etc. eine Arbeit sehen u. lesen ließen. Ich vermuthete es sei irgend eine volkspolitische Arbeit von Ihnen u. es schmerzte mich auch in constanter Weise von der Einsicht ausgeschlossen gewesen zu sein. Sie reißten nach Lindau, ich vermuthete in Verlagsgeschäften dieser Arbeit. Da las ich kurz darauf in der Feldkircher Zei­tung die Erscheinung einer politischen Brochüre „Ruf aus Vor­arlberg" u. es wurde erwähnt daß darin stark gegen Bürger­thum (Bourgeoisie) zu Felde gezogen ist. Ich dachte augen­blicklich das sei die geheimnißvolle Arbeit. Nach einigen Tagen sandte mir der Vorsteher die Brochüre. Ich las sie und wußte nun woran ich war. Ich habe weder vor noch darnach mit dem Vorsteher darüber ein Wort gewechselt und schweige auch über meine Ansicht betreff des Autors auch ferner. Augenblicklich erkannte ich daß Sie damals nicht allein die eigene Arbeit sondern vielmehr die gediegene Arbeit Ihres H Schwagers zu wahren hatten. Ich als Beamter weiß am Besten die Gefahr eines freisinnigen Beamten bei derlei Ansichten und [Drucklerzeugnissen zu schätzen und wundere mich nicht mehr warum Sie so geheimnißvoll tha­ten. Doch wäre es im Interesse desselben angezeigt gewesen noch mehr Schweigen zu üben. Ich meinestheils unter­schreibe vollkommen durch u. durch diese Ansichten, doch einen Angelpunkt des Ganzen um den sich Sein u. Nichtsein alles dessen dreht das Fundament haben sie vergessen: „Mini­sterverantwortlichkeit" ohne diese ist alles windbrüchiger Wald.

Ich bitte Sie daher im Angesichte dieses Bekenntnisses um Vergebung.

Schweigen Sie so viel Sie können Sie wissen nicht welchen Schikanen ein Beamter ausgesetzt ist im Interesse Ihres H. Schwagers. Ihr Theil konnten Sie als freier Mann zehnmal leichter vertretten. Was macht der „v. Hohenstein"

Leben Sie wohl Ihr aufrichtiger Koderle Nächstens bis Sie kommen mehr.

Ihr Brief war offen, siegeln Sie anderesmal besser.

Keine