AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
292
6. Februar 1867

Lieber Freund!

Von einer kleinen Erholungsreise heimkehrend finde ich hier Bogen 4-6 der Sonderlinge, die ich eben mit innigem Be­hagen lese. Auf Bogen 4 Seite 61 ganz unten ist leider ein Wort ausgelassen es heißt „indem sie ihn kopfschüttelnd" (verließen ist ausgelassen) und ich beeile mich Ihnen meine Entdeckung so schnell mitzutheilen als das durch unsere Post nur möglich ist. Der Übergang ist glücklich vorübergegangen und ich sitze wieder jede Stunde am Schreibtisch in der ich nicht die Rolle des Haus-, Stall- oder Fuhrknechtes oder sonst eine von den Hunderten zu spielen habe. Es sind schöne Tage für mich, denn obwol ich mich bereits ans Leben einzig für mich und die Meinen zu gewöhnen anfangen wollte und „die Welt" in der ich lebte und webte für eine bloße Traum­welt, eine Spielerei zu halten mich mühte, es gelang mir nicht und wäre mir nie gelungen, das fühl ich erst, seit ich durch Sie wahrhaft zu leben begann.

Und nicht nur die Tage des freien Schaffens, auch die langen Winterabende sind schön und mir nie zu lang obwol ich unglaublich wenig geschlafen haben muß. Um 6 Uhr bin ich mit der Stallarbeit fertig und eile dann in Holzschuhen und behaglich mein Tobäkle rauchend mit der Milch in die Sen­nerei wo ich meinen Nachbarn und Freunden aus den Zei­tungen u dgl erzähle oder vom Vereinswesen, wenn nicht von der letzten Predigt berichtet u geredet wird, die in der Regel eine sehr hitzige und spitzige war. Nun wenns 7 Uhr schlägt, gehts heim zur Milchsuppe u den Erdäpfeln. Bald ist der runde Tisch von den meinen und etwa mitkommenden Freunden besetzt, daß ihn uns sicher niemand mehr nimmt; meine Mutter bethet voran um den Segen Gottes und die liebe Gesundheit und fragt dann was es heute im Dorf wie­der Neues gegeben habe. Nach dem Essen liest uns das Wible etwas vor und zehn, eilf, zwölf Uhr wirds man weiß nicht wie. Nun löscht das Wible das letzte Liecht in unserm Dorf, und ich träume vom Vorsaß von Leipzig und von meinen Lieben dort, bis Morgens 5 Uhr die wieder erwachte und hungrige Schellkuh im Stalle draußen mich aus dem Bette zu läuten beginnt. Das ist so in wenigen Zügen das Bild meiner jetzigen Tage. Die aus Leipzig mir zugeschikten Zeitungen haben uns schon viel Vergnügen gemacht. Woran ich auch jetzt denke, immer finde ich etwas, das ich Ihnen zu danken habe!

Doch ich bin da, wie es mir lieben Freunden gegenüber leicht geht, ein wenig ins Schwatzen hinein gekommen und hätte Ihnen doch auch sonst noch manches zu sagen. Der ehmali­gen Sorgen Mariens wegen Sepps Seelenheil könnte im letz­ten Kapitel des 2 Bandes erwähnt werden, wo Maria so froh bei Franzens Ho[ch]zeitmahl sitzt und sich aller frühern Sor­gen ledig fühlt. Hier könnte auch dieser Sorge noch erwähnt werden, ohne daß man darum noch ins Weite u Breite zu schweifen brauchte. Wenn Sie mit meinem Vorschlag einver­standen sind, so bitte ich Sie, die Stelle einzufügen die ich, keine getreue Abschrift des betreffenden Kapitels besitzend, nicht zu stilisiren wage, daß in Bezau 2 Band K. 7. der Gens­darm nach „verbothener Waare" sucht weil kein Grenzjäger zu Hause ist, glaub ich Ihnen schon früher einmal bemerkt zu haben.

Der Schnee beginnt auf der Sonnseite schon zu schmelzen, das halbe Heu ist verfüttert und schon gehts wieder dem schönen Frühling entgegen, der so herrlichen Zeit, auf die wir uns immer freuen wenn wir auch unterdessen wieder um ein Jährlein älter geworden sind. Schon in der Zeit, wo ich ganz nur mir selbst, und eigentlich mit der ganzen Welt, d h meinem Dorf u meinen Einbildungen im Krieg lebte, hat das Nahen der schönen Zeit mich immer zu einem Gedicht oder etwas derartigem begeistert. Heuer freue ich mich aber ganz besonders auf jene Tage, da ich hoffe, Sie werden Ihr Versprechen halten und zu denen kommen die Sie so glük­lich machten.

Hier wird unglaublich viel politisiert, sogar auf den Kanzeln. Die Wahlschlacht wurde von den so hitzig mitkämpfenden Brixnern verloren. Sie fielen mit Glanz durch und zwar bei­nahe überall. Auch mein Freund Feurstein, von dem ich Ihnen schon erzählte, ist in den Landtag gewählt. Unser Ruf hat doch schon die geheime Abstimmung fürVorarlberg [erwirkt], was selbst die Feldkircher Zeitung zugestand. Jetzt macht in dieser Gegend die Ankündigung meines Werkes in der all­gemeinen Zeitung viel Aufsehen (vom 31 Jänner). Meine Freunde und Gegner, besonders letztere glaubten kaum, daß ich noch ein Lebenszeichen von mir geben werde. O sie wußten nicht, wie rührig ich an der Hand meines lieben lie­ben Freundes werde. Tausend Grüße von Ihrem

dankbaren FM Felder

Keine