AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
285
28. Januar 1867

Lieber Freund!

Eben hab ich die ersten 3 Bogen der Sonderlinge gelesen und ich gestehe offen daß ich mit Vergnügen wieder zu den mir schon fast entschwundenen Gestalten zurükkehrte. Ich habe aber auch auf den ersten Seiten meine Eigenheit be­merkt der es beim besten Willen nur selten gelingt der Schön­heit eine Wahrheit zu opfern. Es ist gerade, ob mich ein recht wahrer Zug immer so freue, daß ich unmöglich mehr davon wegkomme, und ich danke Ihnen recht von Herzen, daß Sie da u dort mit der Scheere dran giengen, z B im 3 Ka­pitel. Es ist so wirklich besser und ich bitte Sie, ähnliche Kürzungen nur ohne Bedenken vorzunehmen wo sie Ihnen nötig scheinen.

Ich habe nun das erste Kapitel des zweiten Theils aufmerk­sam durchgelesen und da hier sehr wenig geändert wurde, so glaube ich auf meinen Entwurf so gehen zu dürfen, daß ich darauf hin meinen Vorschlag wegen Franzens von der Mutter bisher nicht beachteten Wunde nicht nur angeben, sondern auch formulieren zu können meine. Wie wärs, wenn die Mutter mit der Sorge wegen dem Doktor zugleich ihre Freude über sein Wohlbefinden ausspräche? Zuerst redet sie vom Jauchzen u Singen, dann, Sie werden gleich finden wo, könnte sie fortfahren: -" denn ich kanns dir sagen; Ich erschrak fast mehr darüber, dich da beim Doktor zu er­bliken, als ich mich freute über dein gutes Aussehen und darüber, die Wunde, die dir nicht übel steht, wenn man weißt wie du sie bekommen schon wieder so schön und be­reits am Zuheilen zu sehen.“ Wenn Sie das für eine Verbes­serung halten, wie ich, so bitte ich, die Stelle so einzufügen. Andere Vorschläge wage ich heute nicht zu machen, schon weil ich merke, daß ich heute nicht viel rechtes zu Stande bringen würde. Ich bin nämlich etwas unwohl, leide an einem s g Übergang, wie man hier kleine, häufig vorkom­mende Unpäßlichkeiten, Kopfweh, Schnupfen u d g l zu nen­nen pflegt. Ich mochte diese Tage weder lesen noch schrei­ben, weder essen noch trinken, als ich aber die Bogen erhielt, hat mich das denn doch wieder etwas rühriger gemacht und heute war es mir gerade Bedürfniß, einige Zeilen an Sie zu richten. Hier ist jetzt alles in Wahlaufregung wer zu wählen hat, es sind aber z B unter 106 Schoppernauer Hausvätern nur 35 Wahlberechtigte und unter diesen 35 sind erst wieder 11 todte Steuergrößen, nämlich die Alpen. Denken Sie nun welchen Eindruck so ein Wahlgesetz in einem Ländchen machen muß, wo, wie Herr Landgraf sehr richtig bemerkte, im Ganzen die Armen die Pioniere des Geistes sind! Jetzt müssen sich unsere Pfarrer um die behaglichen Steuergrößen herumdrehen daß es zum lachen ist. Es ist aber auch das das einzige Lächerliche an der ganzen Geschichte. Man ist hier - ich rede nicht gerade von den Bauern - in einem Zu­stand wo man wenig hofft und nichts fürchtet. Daß die Geist­lichen mit alier Kraft die Regierung unterstützen, wird dieser, außer in Tirol, nur sehr wenig oder gar nichts helfen. Aber warum mitten im Fasching diese Litanei? Doch etwas muß der Mensch haben, und ich möchte nur wissen, mit was die frommen Bauern nun den langen Winter herumbringen sollen. Vor 3 Wochen wurde ihnen die Feldkircher Zeitung vom Pfarrer verbothen, vor 8 Tagen sprach er sich gegen meine Leihbibliothek aus, gestern hielt er eine ganze Predigt gegen Stubat und Tanz. Er drohte mit allem möglichen und brachte Worte und Vergleiche, daß ordentlichen Weibern und Mädchen „siedig heiß" geworden sein soll. Nun haben Sie so ein Bild vom hiesigen Leben. Ich bin zum Theil froh, daß man den guten Bauern alles auf einmal nehmen will, was sie jetzt haben, sich zu unterhalten zu erfreuen und sich der Welt etwas zu nähern.

Wenn ich nicht einen „Übergang" hätte, so wüßte ich nicht was ich thäte. Ich möchte der Welt schon einmal erzählen, wie man uns erzieht; doch wäre der Schauplatz zu unbedeu­tend und die Thatsachen zu unglaublich, daß ich irgendwo geneigte Zuhörer finden würde. Auch Sie werden meiner Klagen herzlich müde sein. Doch hoffe ich, Sie werden mich entschuldigen, wenn so etwas mich ärgert. Denken Sie sich in meine Lage! Ich glaube bewiesen zu haben, daß ich die Wälder liebe. Aber ich achte sie auch und weiß, daß man sie nicht mehr so leicht an der Nase führt u das ist mein Trost. Heute haben wir seit Monathen den ersten schönen Tag, gerade so schön wie vor 6 Jahren, da ich als Hochzeiter mit dem Wible in den vordem Wald fuhr.

Das Wible hat die erhaltenen Bogen mit Freude gelesen und fürchtet nur daß meine Bauern in vornehmen Zimmern doch vielleicht gar zu grob auftretten, Ich aber freue mich darauf am meisten, aus dieser trokenen Welt doch das Ideale, aus den verknöcherten Bauern das rein Menschliche herauswach­sen zu sehen.

Die gewünschte Photografie wird das Wible baldmöglichst übersenden; einstweilen schikt es Ihnen und den Ihrigen viele herzliche Grüße. Am Neujahr hab ich so oft nach Leip­zig gedacht, daß das gewiß auch in der von Ihnen erwähnten Stunde der Fall war.

Aber nun wartet mein Bothe                                Ihr dankbarer

Mit herzlichen Grüßen                                             

F M Felder

 

Keine