AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
310
4. April 1867

Liebster Freund!

Das letzte Mal sind wir so ziemlich zur gleichen Zeit am Schreibtisch gesessen und haben uns beinahe das Nämliche mitgetheilt. Wie viel würden wir uns mündlich in jenen fro­hen Stunden zu sagen gehabt haben! Ich freue mich so recht von Herzen auf den Sommer, der Sie zu mir lassen wird. Ich hoffe, daß Sie recht lange da bleiben werden. Keils Antrag macht es mir nun auch möglich, meinen Lieblingsplan, die Reise nach Leipzig auszuführen, ohne vielleicht Jahre lang auf eine zweite Auflage der Sonderlinge warten zu müssen. Ich hab in diesen Tagen so nebenbei ein Artikelchen über „Heilsgeschäfte" geschrieben und lege es, Sie um Ihr Urtheil bittend hier bei. Sollten Sie es für die Gartenlaube geeignet halten, so bitte ich, es später an Keil zu senden, wenn die Aufnahme des bis dahin von mir Erschienenen zur Veröffent­lichung desselben ermuntern sollten. Die bisher gekomme­nen Bogen der Sonderlinge haben wir mit Andacht gelesen und ich muß gestehen, daß ich mit mir selbst zufrieden bin. Seite 185 steht Bauerntrog statt Brunnentrog aber der Fehler ist so leicht zu bemerken, daß er kaum sinnstörend sein dürfte.

Meinem Wible, das schon so manche Freude und auch trübe Stunden mit mir erlebte, hab ich längst versprochen, es ein­mal, sobald sichs schickt, nach Lindau mitzunehmen. Nun, da ich Keils Wunsch zu erfüllen entschlossen bin, wird es dazu Gelegenheit geben. In den nächsten Wochen einmal wenn der Schnee weg ist, wird Gott eines schönen Morgens das „wunderlichste Paar" von Schoppernau zum Dorfe hinaus­schreiten sehen. Eine Reise nach Lindau ist schon etwas! Viele, ja die Meisten Leute hier herum sind noch ihr Lebtag nie so weit gewesen. Sie werden in beiliegendem Aufsatz finden, wie man es machen muß, um nur einmal nach Rank­weil zu kommen. Ich werde jedoch nicht nur den Anfang des Frühlings erwarten, bevor ich gehe sondern auch das Er­scheinen der Sonderlinge. Diese werden von unsern Jung­brixnern etwas mürrisch erwartet. Unser Pfarrer thut alles um nicht nur mich, sondern auch meinen „Anhang" zu ver­ketzern. Man soll meinet wegen und wegen der Klarstellung schon an den Bischof geschrieben haben. Die Herren kennen mich so, daß sie mich für den Verfasser der genannten Schrift halten, besonders seit es dem Kloster in Bezau gelang, den Entwurf meiner Gespräche durch seine Werkzeuge heimlich wegzunehmen. Später nahmen die Kapuziner so bestimmt an, die „Gespräche" seien nun heraus, daß einer derselben am vorigen Sonntag schon von der Kanzel in Au dagegen don­nerte und den Auern befahl, das Buch, von dem er leider den Titel nicht anzugeben wußte, sogleich zu verbrennen. Wie die Herren in den Besitz der Handschrift kamen hab ich durch den befreundeten Doktor in Au erfahren. Dieser fieng mit dem Pater von dem Atheisten nämlich von mir zu reden an und hat dann durch Wein und Widerspruch, diese beiden W das Geheimniß glücklich herausgebracht, das ist meine Quelle, die jede Woche fließt, da der Pater Stellvertreter des kranken Pfarrers ist und der Doktor ihm keinen Sonntag mehr Ruhe läßt. Das alles sind bedeutungsvolle Vorzeichen für die Aufnahme der Sonderlinge und - das Urtheil über mich aus Brixen. Ich bin wirklich begierig was von da ver­lauten wird. Mich hat die He[t]zerei, deren Schreier ich nur zu gut kenne, anfangs ein wenig geärgert, dann war sie mir lächerlich und jetzt ist sie mir bereits so gleichgültig, daß ich se[l]bst kaum begreife, warum ich Ihnen so viel darüber schreibe. Nun jetzt bin ich aber damit fertig es wäre schade, sich die schönen Frühlingstage so zu verderben! Sehr dank­bar sind wir Ihnen auch, daß Sie uns ein so schönes Abend­vergnügen verschafften. Ich hab ja jetzt all die Blätter, die ich zu lesen oder doch zu erlesen wünschte. Aber wenn der Eigenthümmer nicht geneigt wäre, einige zu verkaufen, so müßte ich ihm das Gelesene wieder schicken. Vielleicht fin­den Sie einmal Gelegenheit, ihn zu fragen. Was hat Keil über meinen Aufsatz gesagt? Ich möchte sein Urtheil so gern hören als das Gosches und Scheffels über das Schwarzo­kaspale. Mit meiner neuen Arbeit geht es langsam voran, unterdessen hab ich auch die Geschichte eines Kusses nicht ganz vergessen. Bereits entsteht in mir ein Plan zu einer Novelle: „Liebeszeichen". Wenn mir das Ganze gelingt, so dürfte die Arbeit sich für die Gartenlaube eignen. Doch das alles liegt noch im Weiten. Bald kommt die Feldarbeit und dann muß ich die Feder wol wieder zeitweilig ruhen lassen, die Sonderlinge werden nun wol fertig sein. Ich wollte ich hätte der Vorlesung bei Ihnen beiwohnen können. Noch wenige Wochen, so wird mich vielleicht die Kritik verhageln, wenn sie gerade sonst nichts zu thun hat. Moosbrugger fürchtet es werde Leute geben, die das Ganze ein Gewitter in einer Flasche nennen würden. Ich fürchte eigentlich gar nichts und bin mit der Dichtung zufrieden da ich doch noch nichts von Belang zu ändern wüßte. Doch jetzt fangen die Kühe an zu läuten. Es ist die höchste Zeit zum Abendfutter. Also leben sie wol mit Gruß Ihr

F M Felder

Sie wünschen Landestrachten! Hier sind 2 Blättchen, nicht recht gelungen aber in der Eile hab ich auch bei Feurstein nichts Besseres auftreiben können nach der Lindauer Reise folgt Wibles Photografie - Etwas kirchen, kirchlich in oder jetzt vor der Kirche bekannt machen.

Keine