AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
350
25. Mai 1867

Liebster Freund!

Gestern bin ich mit der von Ihnen und Freitag gewü[n]schten Arbeit fertig geworden und ich übersende sie Ihnen nicht ohne Bangen, Sie möchten denn doch Ihre Mahnung: „Nur ganz ungezwungen zu schreiben" etwas gar zu sehr befolgt finden. Der Faden der das Ganze zusammenhält, ist etwas schwach, überdieß wuchs mir im 2. Theil der widerwärtige Stoff-derart, und war so zahlreich und massenhaft vorhanden, daß ich mich auf der Reise ungemein beeilen mußte, die Aus­arbeitung des ersten Theils, wo ich den Lesern der Garten­laube sowohl als den Ändern „gerecht" zu werden, d h das Bekannte doch wieder aber so kurz als möglich wiederzu­geben suchte, hat mir jene Freude und Fröhlichkeit wieder gegeben, die ich gewöhnlich am Schreibtisch empfinde. Den 2ten Theil aber hätt ich um Vieles nicht mehr selbst ins Reine schreiben mögen und ich war herzlich froh, daß Moosbrug­ger mir Nachmittags einen Kanzlisten schickte. Sollte meine Arbeit für d[ie] Grenzbothen geeignet sein so würde das mich ungemein freuen und ich möchte nur fragen, ob sie dann nach Veröffentlichung in genanntem Blatte nicht auch in ändern Zeitungen mit Angabe der Quelle nachgedruckt werden dürfte. Z B in der Feldkircherin deren Herausgeber auch Ihren Gartenlaube Artikel und meinen Tannbergerauf­satz gern abdrucken möchte. Jedenfalls wünschte ich, daß mir auch von damaligen Aufsätzen immer einige Exemplare zu­geschickt würden.

Ich übersende Ihnen auch eine Nummer der neuen freien Presse mit einem Artikel aus Feldkirch, der Ihnen, mit meiner eigenen Beschreibung meine traurige Lage völlig klar machen wird. Briefe aus meiner Heimath melden mir im Ganzen sehr wenig Neues. Von weitern Verfügungen des Staatsanwalts will noch nichts verlauten, und so warte ich denn hier auf etwas Entscheidendes. In 10 Tagen zieht das Wible mit Kind und Rind nach dem Vorsaß Hopfreben. Dort würde ich wie­der so sicher und ruhig und wol noch gemüthlicher als hier leben. Wahrscheinlich wird Moosbrugger sich auf einige Wo­chen Urlaub erbitten und mit in seine Heimath gehen. Jeden­falls werde ich Ihnen meine Abreise von hier rechtzeitig melden.

Von Wien aus ist mir übrigens von einem dort lebenden Vor­arlberger der Antrag gemacht worden, die Sache vor den Reichsrath zu bringen, wenn der Staatsanwalt oder die Be­amten aus Furcht vor den Ultramontanen nicht entschieden vorgehen sollten.

Von Schoppernau aus werde ich Ihnen in der nächsten Woche schreiben was ich dort antraf. Wir gehen nicht mehr über die Berge, sondern fahren erst nach Feldkirch und von dort über Dornbirn, Schwarzach durch den Wald hinein, der Schwager ist mein Begleiter und unsere Reise dürfte unter den jetzigen Verhältnissen zwar nicht so gefahrvoll, aber interessanter werden als der Ausflug auf den Tannberg. Sind noch keine Besprechungen der Sonderlinge erschienen. Ich bin sehr begierig.

Ich schließe vorläufig, erwarte aber vor dem Abgeben die Ankunft der letzten Post.

Ihr ewig dankbarer p M Felder

Keine