VON FRANZ MICHAEL FELDER AUS BLUDENZ AN ANNA KATHARINA FELDER IN SCHOPPERNAU

lfndenr: 
348
23. Mai 1867

Liebes gutes Wible!

Dein Brief war mir eine wahre Labung. Mit Sehnsucht gedachte ich nicht nur des guten Säuleins, das wie noch viele Größen auf der Welt, erst nach dem Tode recht geschätzt wird, sondern auch so manches ändern, waß dem geselligen fühlenden und denken­den Menschen nur die Heimath biethet und waß er gerade am schmerzlichsten vermißt. Trotzdem dürfte ich noch eine Woche wenigstens im Exil bleiben müssen. Wenn Du zum Vorsteher Albrecht gehst, und Du meinen letzten Brief und den darin er­wähnten Zeitungsartikel zum Durchlesen erbittest, so wirst Du das selbst einsehen und ich habe dann auch nicht mehr nötig Dir manches Andere zu schreiben was ich Dich gerne so schnell als möglich wissen lassen möchte. Drum also wo möglich noch vor dem Etzo zum Vorsteher.

Etwas ausstehen müssen wir nun freilich für unsere heilige Sache, aber Du wirst sehen daß der glänzendste Erfolg uns be­lohnt. Nur den Muth nicht verloren, da wir nun schon so weit auf dem Wege sind.

In Rankweil draußen steht das s g Schlößlein mit etwa 5 Kuh­winterungen Gut. Ich und Kaspar reden stark davon, wie schön es sich da draußen wohnen und dichten ließe, wenn im Wald die Hetzereien nicht aufhören sollten und vielleicht auch sein Austritt aus dem Staatsdienst gebothen erscheint. Es kann nämlich noch zu allem kommen, da wir durchaus nicht zum Nachgeben ent­schlossen sind. In Feuersteins Brief steckt etwas, das mir gar nicht gefällt. Aber daß ihm auch der Schelley fortkam ist nett da er bei der bereits eingeleiteten Untersuchung ohne hin als Zeuge auf­tretten muß. Davon brauchst Du aber noch nichts zu sagen, außer dem Uhrenmacher, den lasse mir grüßen er soll nur da bleiben und lustig sein, denn nächstens könne er eine interessante Ge­schichte erleben. Am nächsten Mitwoch soll er auch einen Brief erhalten. Heut und Morgen bin ich noch zu varnöth!

Am letzten Sontag hätt ich Dich besonders gern hier gehabt beim Waldesfest im Wäldchen zu Brunnenfeld. Hunderte, vielleicht Tausende hatten sich im Moos und ander­wärts gelagert. Es wurde gezecht, geschossen gesungen geplau­dert, und die Bludenzer Stadtmusik spielte ihre Weisen bis sie sich abends in den erleuchteten Biergarten beim Kaffeehaus zurükzog. Ich schickte Dir in Gedanken meine Grüße zu wäh­rend ich mit ändern plauderte.

Vom Germanistenklub in Leipzig hab ich etwas zu spät, ein herrliches Gedicht zu meinem Geburtstag erhalten welches dan der hocherfreute Kaspar den hiesigen Herrn mit begeisterter Stimme Mittags im Kaffeehaus vorlas. Ich habe hier schon meh­rere Bekante, von denen ich Dir jetzt nur den Fabrikanten Gaßner und den Bruder des im Tirol berühmten liberalen Landtags­abgeordneten von Grabner nenne.

Am letzten Sonntag hab ich von Gustav Freitag durch Hildebrand den ehrenvollen Auftrag erhalten mein Leben meine Flucht und ihre Veranlassung für die Grenzbothen zu beschreiben. Die Arbeit ist im Entwurfe fertig, und da mir beim Abschreiben ein Kanzlist helfen wird, so kann sie schon am Sonntag nach Leipzig wandern.

Wenn wegen den Sprengern etwas los werden sollte, so müs­sen sie sich an meinen Mitvormund J Josef Felder Wagner wen­den. Der Lindauer Reisende hat mich getroffen und sein Geld erhalten. Ich übersende Dir Deine Photografie und auch die Meine, die unübertrefflich sein soll und vom Photografen zu einem Handelsartikel gemacht wird da manche hier sie möchten.

So wird man auf jede Weise ausgebeutet, wenn man eben berühmt ist.

Lebe wol, liebe treue, grüße mir die meinen und gedenke stets Deines Dich 1000 [Mal] grüßenden

Fr Michael Felder

Keine