AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
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9. Mai 1867

Liebster Freund!

Schon wieder in Bludenz und gerade während daheim die Feldarbeit beginnt? Werden Sie mich fragen und ich will da­her von Allem erzählen wie das gekommen und gegangen ist. Ich hab Ihnen schon früher von der Hetzerei unserer Brixner erzählt. Es war damahls noch so ungefährlich, daß ich, da die bessern auf meiner Seite standen, darüber lachen konnte. Meine Freunde und noch viele stehen auch jetzt noch zu mir, aber es ist den frommen Bemühungen unseres Pfarrers, einiger Berufsgenossen und der Kapuziner in Bezau gelungen, die Gedankenlose Menge in eine Aufregung zu versetzen, daß meine Freunde für meine Sicherheit besorgt wurden. Es thut mir recht weh' Ihnen so etwas von meinen wackern Wäldern erzählen zu müssen, aber ich kann zu mei­nem Tröste beisetzen, daß ich mir von allen Gegnern keinen Einzigen zum Freund wünschte. Ich werde Ihnen daher auch nicht von der bösen abergläubischen undankbaren Welt, sondern nur noch von dem erzählen, der Ihnen schon so viele Mühe und Sorge machte, nämlich von mir. Einiges, was ich in der letzten Woche erleben mußte, machte auf mich einen Eindruck, wie ich Einen sogar in diesem kampfreichen Winter noch nie erfuhr. Ich sah neben und unter mir alles wanken und brechen. Ich wäre ein schlechter Vertheidiger meines Lebens, muß mich auf den Schutz der Gesetze ver­lassen, und Gott sah mich mit dem Wible daher nicht, wie ich schrieb durch das unglaublich aufgeregte Land hinaus nach Lindau, sondern zum lieben Schwager nach. Bludenz wandern.

Schon in den nächsten Tagen sollen Sie Wibles Photographie erhalten, hier kommt und geht die Post täglich und ich werde mich nun zuweilen mit Ihnen unterhalten. Nach Hause geh ich. nicht so schnell, sondern ich warte bis der Schwager mit­gehen wird, um den Frieden wieder herzustellen wenn das nicht sonst möglich sein sollte. In der nächsten Nummer der Feldkircher Zeitung, die ich Ihnen zusende, veröffentlicht der Schwager eine geharnischte Erklärung die auch Ihnen nicht uninteressant sein dürfte, und Sie einen tiefen Einblick in unsere verbrixnerten Verhältnisse thun lassen wird. Nun bin ich, und hoffentlich für immer mit der elenden Geschichte fertig.

Es war eine wunderliche Reise. Die Vögel haben das mir nur zu stark noch in den Ohren liegende Gebrumm der Röm­linge und ihrer Papageien bald weg gehabt, auf einem Berg­rücken wo der letztfe] Fluß in den Wald zieht wusch, ich mir den Staub von den Schuhen und nun auf einmal von meiner krankhaft aufgeregten Einbildung wunderbar geheilt, zogen wir jauchzend ein ins frühlingsgeschmückte Oberland. Wenn Keil mit den Heilsgeschäften zufrieden ist, werde ich ihm und sonst Ihnen nächstens eine Beschreibung meiner Reise, frei von aller Selbstbespiegelung schicken, wenns nicht inter­essanter sein sollte, auch die Veranlassung derselben als Hin­tergrund aufzustellen. Hier in Bludenz hab ich freundliche Aufnahme Zerstreuung und schon wieder Stoff und Lust zum Arbeiten gefunden.

Ich denke die Erzählung mit nach Leipzig zu nehmen und wir werden also noch darüber reden können, wenn nur der Kanonendonner uns nicht stört.

Mein Wible geht wieder zu den Kindern zurük. Es hielt zu mir in der Plagerei der letzten Wochen wie eine Heldin. O erst am Abend ließe ich mir den Tag tadeln. Ich glaube an den Sieg der Wahrheit und des Rechtes nur der Faust werde ich weichen schutzsuchend beim Gesetz, und hoffend auf den Geist des Jahrhunderts, den verkanzelten Zeitgeist als dessen Kind man mich, ohne vielleicht besser als ich zu wissen warum, verfolgen lassen will. Mit 1000 Grüßen

Ihr

F M Felder beim Adjunct Moosbrugger in Bludenz Vorarlberg

Die Sonderlinge wurden in unsern Blättern angekündet als das Werk „eines Bauern" „ein Umstand den der Leser schwer­lich bemerken würde". Das Werk wird hier zahlreicher be­stellt als ich erwartete, da ich den etwas hohen Preis erfuhr. Ich bin begierig ein Urtheil von Steger Gottschall Scheffel und der Allgemeinen Zeitung zu lesen. Morgen gehts wieder an mein jetziges Werk und ich werde meine Heldin einmal vor den Beichtstuhl zu bringen suchen. Ich lasse nämlich, wie ich Ihnen schon früher schrieb, meine Personen selbst ringen und sehe gleichsam nur zu was aus ihnen werde, oder ich ringe mit ihnen, jedoch ohne die Absicht einen Mustermenschen aufzustellen. Mir kommt das immer un­schön und unwahr vor. Ich meine, der Dichter darf die Welt nur nehmen, wie sie ist. Will er das Herz erfreuen so muß er ihre Schönheiten und das Gute der Menschen wie sie sind zeichnen, nicht verschönern. Er soll auch aus dem Bösen etwas zu machen wissen. Mir ist das Böse zur Läuterung des Guten nötig. „Es müssen Ärgernisse kommen, aber wehe dem Menschen, durch welchen Ärgerniß kommt!" Erschrecken Sie nur nicht, das Bäuerlein wird Ihnen keinen Vortrag über Dichtkunst halten, aber Sie haben ihm Muth ge­macht, mit Ihnen zu plaudern, und auch von dem etwas mit­zutheilen, was es ohne Abhandlungen gelesen zu haben, in den trüben Tagen dieses ungewöhnlich strengen Winters zu­sammenspann.

Sie haben sich schon so theilnehmend nach meinem neuen Werke erkundiget und Dichter lieben nicht zu schweigen aber das - Gestell meiner Dichtung kann ich jetzt noch nicht vor Ihnen aufführen, meine leitenden Gedanken aber kann und Gottlob! darf ich Ihnen mittheilen und Sie um Ihr Urtheil darüber bitten. Die Erzählung „Liebeszeichen" ist im Entwurfe fertig. Das ist ein Kind der schönsten Stunden dieses und der letzten zwanzig Winter. Hoffentlich wird es Ihnen beweisen, daß ich von der Luft aus dem Norden den Schnupfen nicht be­kommen habe.

Keine