AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
358
6. Juni 1867

Liebster Freund!

Nun wäre ich wieder da in der lieben alten Heimath, aber das ist doch die liebe alte Heimath nicht mehr. Meine Treuen kommen mir freundlich entgegen und sagen mir bedauernd, es habe sich das Gerücht verbreitet, ich wollte meine Hei­math hergeben und droben bei Bludenz eine Andere kaufen. Diese Leute scheinen zu fühlen, daß ich hier nicht mehr lange bleiben könne und sie haben das Rechte getroffen. Es hat sich hier nur wenig geändert und nichts gebessert. Man redet jetzt da und dort vom Antichrist womit ich gemeint sein soll, und doch konnte mein Betragen, das meiner in den Sonderlingen ausgesprochenen Überzeugung entspringt, un­möglich Grund zu solcher Bezeichnung geben.

Doch man wird oft ganz falsch verstanden. Das zeigt mir auch Ihr letzter Brief: ich muß mich in meinem letzten Schrei­ben erbärmlich schlecht ausgedrückt haben, daß Sie etwas meinem Wesen so ganz Fremdes herauslesen konnten. Mir war der Ausdruck kleine Seele ganz neu, und ich muß ge­stehen, daß ich ihn gerade so auslegte, wie Sie dann mir meine Frage ausgelegt zu haben scheinen. Ich verstand früher unter „kleine Seele" etwas ganz Anderes und mein Schwager u A auch. Doch lassen wir das bis zur glücklichen Stunde, wo wir mitsammen plaudern können. Sie haben nun schon gesehen, daß ich ein sehr schlechter Philosoph bin. Mir fehlt überhaupt jetzt leider sehr oft die Ruhe mit der man etwas lesen und schreiben sollte, drum glaub ich gern, daß mein letzter Aufsatz an großen und kleinen Fehlern leide. Ich bitte Sie recht von Herzen um Gedult und Nachsicht denn ich hab jetzt eine schwere, eine böse Zeit. Alles reißt, schiebt und zerrt an mir herum Freunde und Feinde quälen mich und kurz - es ist hier nicht mehr auszuhalten. Es wäre viel­leicht gut, wenn jenes unglückliche Stimmungskind der Welt gar nicht vorgestellt würde, sonst aber soll man daran schnei­den und brennen, bis es den gehörigen Schnitt hat, nur nicht zu viel aufpfropfen.

Als ich jene Wiegenfeste schrieb, hat, das glaub ich gern, meine Feder zu oft gezittert, als daß der Aufsatz ruhigen Kunstrichtern gefallen könnte. Ich fühle wol, daß mir jetzt nichts mehr gelingt drum hab ich mich seit damahls gar nicht mehr ans Schriftstellern gewagt. Ich mußte droben in Blu­denz fort, denn ich will arbeiten und wills Gott! manches verschwitzen, Sie glauben nicht, wie weh es einem thut, fremd geworden zu sein in der Heimath, wo jeder Hügel und jeder Stein zu einem redet. - Aber es ist schon so jetzt, und zurük kann und mag ich nicht mehr. Ich denke mit den Verwandten des Wible irgendwo um Feldkirch herum ein Anwesen zu kaufen und mein Bauerngütchen zu verpachten. Ich kam her, um mit den Meinen von der Sache zu reden, und auch mit den Schwägern, denen der Plan so gut gefällt wie ich und der Adjunct es erwarteten. Es wären dann unser 6 die zusammen hielten, wie in den Sonderlingen der Sen, seine Brüder und die Kinder des Adlerwirths. Ich würde Glied eines ziemlich mächtigen Körpers, meine Kinder be­kämen eigene Arbeit und eigenes Brot, und ich fände wol wieder Zeit und Ruhe, etwas Ordentliches zu schreiben viel­leicht sogar mehr als hier. Nach Pfingsten gehts Hinterhopf­reben, dem Vorsaß zu. Dort werde ich nur wieder den Ge­sang der Vögel und das Schellengeläute weidender Kühe hören. Dort hoffe ich wieder Ruhe zu finden und Kraft sam­meln zu können zu allem was ich noch kommen sehe. Das Gedicht der Einsamen sende ich Ihnen gerne zu. Es ist aller­dings an und für sich nichts Bedeutendes aber Sie werden mir glauben, daß es mir droben auf der Sina (so nennt man den Bergrücken) ungemein wohl that. Schad ists nur, daß in meinem Aufsatz der Traum nicht ge­fällt, ich fühle den Schnitt der ihn vom Ganzen trennt, in der Seele, aber er schmertzt neben noch so manchem weniger. Hier ists Frühling und wir haben herrliche Tage. Schon sieht man zuweilen einen Vergnügungsreisenden daherziehen. Jeder erinnert mich schon beim ersten Anblick an Sie und Ihr Versprechen. Wie bald werden Sie kommen? Im Sommer bin ich schon hier, ich muß noch manches Versäumte ein­bringen. Auch jetzt ruft mich die Arbeit. Ich drücke im Geiste die Hand, die mich hält und führt und verbleibe mit 1000 Grüßen

Ihr ergebenster F M Felder

Das Wible welches Sie herzlich grüßen läßt, hat eben einen Blumenstrauß vor mich auf den Tisch gestellt und mich er­inert, daß es heute gerade 7 Jahre sei seit der Zimmermann mich aus dem Wasser zog.

Keine