AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
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24. Juni 1867

Liebster verehrtester Freund!

Jetzt bin ich ein Hinterhopfrebner geworden. Nicht etwa so bloß, daß ich hier im Vorsaß esse und schlafe, ich bin mit Leib und Seele im Vorsaß und was das heißt wissen Sie schon aus den Sonderlingen. Heute hab ich Ihnen mehres Erfreu­liche zu melden, doch vor allem muß ich Ihnen recht von Herzen danken für die Freude die Sie mir und den Meinigen mit Ihrem letzten Briefe gemacht haben. Sie glauben mir wol kaum, wie weh es uns that, als wir Sie schon fast von Ihrem Vorsatz, uns zu besuchen abkommen sahen. Über der Frage: Wo Sie hier wohnen werden, wollen wir noch nicht streiten. Ich wünschte, daß es Ihnen in meinem Häuschen gefiele. Jedenfalls würde Ihnen Einfachheit neu sein. Doch hierüber werden wir an Ort und Stelle verhandeln, aber ein Anderes haben Sie erwähnt, dem ich gleich widersprechen muß, Sie sollten doch wenigstens 3 Wochen hier bleiben, nicht in meiner Stube nur sondern bei mir in der Gegend, wo es so viele schöne Spaziergänge giebt. Die von Ihnen angegebene Zeit - nach dem ersten Heuet hab ich so ziemlich frei, das Vieh, dessen Versorgung mir jetzt noch so viel vom Tage wegnimmt, ist alsdann auf der Hochalpe. Es wird mich glück­lich machen, Ihnen auch im Buch der Natur schöne Stellen, im engen Bregenzerwald in ihrer Art große Menschen zu zeigen.

Nicht als Vergnügungsreisender nur so von oben herab dür­fen Sie meine Landsleute sehen. Meine Freunde freuen sich schon auf Ihre Ankunft. Der Zimmermann und der Schreiner, unser Ortsvorsteher und noch einige, denen ich aus Ihren Briefen einiges vorlas. Erst seit ich ans Fortziehen gedacht habe, fühl ichs, wie sehr ich hier überall eingewachsen bin. Vor 7 Jahren hätte ich mich noch viel leichter losreißen können. Übrigens ist die Frage noch nicht entschieden. Erst werde ich mit Ihnen sprechen, Sie selbst meine Verhältnisse übersehen lassen und sehen, wie ich als Dichter stehe, dem Bauer wird der Umzug nicht vortheilhaft sein. Es ist gut daß Sie kommen, denn erst dann werden Sie mich in Manchem ganz verstehen und auch der Kampf gegen die Brixner wird ihnen im rechten Liechte erscheinen.

Jetzt ists wenigstens hier und in Au ziemlich ruhig und still. Das Treiben meiner Gegner beginnt auch der Menge lächer­lich oder verächtlich zu erscheinen. Das Häuflein der meinen mehrt sich, in jeder ordentlichen Gesellschaft bin ich wol gelitten und sogar Geistliche, die noch nicht ganz verknöchert sind stellen sich offen auf meine Seite und sagen mir, daß unser Pfarrer hier bald rein unmöglich werde. Ja dieser selbst schon hat gesagt sein Vorgehen reue ihn, ein Bekenntniß das mich nicht an und für sich aber als „Zeichen der Zeit" recht herzlich gefreut hat.

Also Sie kommen und - ich gehe -. Von Herzen gern gehe ich mit Ihnen nach Leipzig. Das Sechsfache der von Ihnen genannten Summe gab ich drum einmal mit Ihnen durchs Vaterland zu wandern. Ich bin jetzt muthig und zu allem bereit. Nun will ich erst einmal aus der Enge und dann wer­den wir sehen, was sich für die Zukunft beschließen läßt. Ich wäre jetzt eher in der gehörigen Stimmung zum Schrei­ben als im letzten Monathe. Ich finde fast alles damahls ent­standene etwas krankhaft und kümmere mich drum auch wenig um die zwei Wiegenfeste. In Bludenz, so fern von den meinen und besorgt um sie, um die Wirthschaft, meine Angelegenheit und noch so manches, in einer Gesellschaft, die mir im Ganzen nicht recht zusagen wollte, konnte ich die rechte Stimmung nur selten finden und als ich heim kam, wars eine Zeitlang noch ärger. Ihr vorletzter Brief war daran wol weniger Schuld als Sie vielleicht glaubten. Hier in Hopf­reben bei gesunden Menschen in frischer freier Luft hab ich mich selbst wieder gefunden und wol mehr als ich je verlor. Letzten Sonntag hab ich den Roman Simplicisimus erhalten.

Ich kam noch nicht ans Lesen und werde dem verehrten Geber vielleicht bald mündlich danken. Wie bin ich reich geworden, seit ich Sie in Au antraf, und nur durch Sie! Die Zuschrift der Einsamen trug das Postzeichen Straßburg. Die Rüksendung thäte gar nicht so Noth wenn ich mir nicht sagte, daß damit dann auch wieder ein Briefchen von Ihnen kom­men würde.

Sollten Sie den Tag Ihrer Ankunft in Bezau, Schwarzenberg oder Lindau anzugeben im Stande sein so würde ich Ihnen entgegenkommen, wenn Sie das wünschten. Sonst werden wir uns wol wieder im Rößle in Au antreffen, wo ich meine Auer Freunde im Sommer zuweilen besuche. Die Wirthshäuser in Schoppernau lassen manches zu wünschen übrig und sind zum Theil vom Pfarrer und den Seinigen unterhöhlt. Doch davon später. Für jetzt und besonders zur Beruhigung der lieben Ihrigen noch die Bemerkung, daß mich jetzt wenig­stens jede Woche Reisende besuchen die ich zuweilen be­gleite und daß daher Ihr Hiersein keinem Menschen auffal­len wird. Auch bitte ich Sie, mir die lieben Ihrigen herzlich zu grüßen und ihnen so nach und nach in einem Tränklein die Nachricht von meiner baldigen Ankunft zu geben. Mir würde wol bang und ich wagte gar nicht zu kommen, wenn nicht Sie mein Führer wären.

Die Meinen sind gesund und wohl. In der vorigen Woche feierte meine Mutter ihren 69sten Geburtstag und half mir Abends die 8 Kühe melken die wir jetzt zu versorgen haben. Im Reichsrath gehts ja trefflich, für den Bauer zeigt dieses Jahr die herrlichsten Aussichten. Sie werden kommen und mich vielleicht mitlassen ins schöne Deutschland. Da kann man schon auch etwas verschmerzen. Leben Sie wohl!

Mit herzlichstem Gruß

Ihr jetzt wieder seelenvergnügter Franz Michael Felder

 

Keine