AN RUDOLF HILDEBRAND
Liebster Freund!
Anstatt Wagengerassel hör ich wieder Schellengeläute und Dengelschlag. In der heitersten Stimmung kam ich gestern mit meinem Schwager glücklich hier ein und fand alles gesund und über meine Ankunft erfreut. Von Leipzig bis München kam ich ohne besondere Erlebnisse wenn ich nicht die gemachten Beobachtungen hierzu rechnen will. In München suchte ich meinen Uhrenmacher vergebens. Ich blieb nicht lange, sondern fuhr am Mitwoch neben einem katholischen Geistlichen, der mich an Rüscher gemahnen wollte, nach Augsburg. Von hier bis nach Kempten litt ich an Bauchweh und fühlte mich so krank, daß ich zweifelte, ob ich überhaupt noch nach Lindau kommen werde. Ich fror und schwitzte, alle Stimmung war weg und nur einem Zustand in dem ich keines Entschlusses mehr fähig war, hab ich es zuzuschreiben, daß ich in Kempten sitzen blieb und mich willenlos vom Dampfroß weiter bringen ließ. Nun sah ich wieder Berge, der Widderstein grüßte mich, meine Stimmung kam wieder und ich kam glücklich nach Lindau wo ich auch meine Kiste fand, welche mir am ändern Tag auf dem Zollamt viele Plagereien machte. In der Nacht fuhr ich nach Bludenz von wo ich gestern mit dem Schwager zurük nach Hause kam. Der Uhrenmacher u das Wible haben meine letzten Briefe gar nicht erhalten und man war um mich in Sorgen, weil man schon 3 Wochen nichts mehr von mir hörte. Um so freudiger war dann das Wiedersehen. Ich denke viel an meine Lieben in Leipzig und grüße alle recht von Herzen, besonders die Deinigen, das liebe Hinterhaus und den Club. Ich will hier mich der Mitgliedschaft werth zu zeigen suchen. Gestern Abends waren wir im Schöpf des Bräuhauses und es wurde viel von Leipzig geredet. Mir ists Bedürfniß, die Gestalten und Bilder, die ich von dort mitbringe, immer wieder vor mir auszulegen, wie meine Kinder die Geschenke, die ich für sie von der Rößlewirthin kaufte.
Ich hatte viele viele Grüße an Dich auszurichten, von Bludenz u von hier doch es ist Zeit zum Heuen und ich weiß wol, daß es mich bald wieder an Dich zu schreiben drängt. Lebe wol und vergesse nicht
Deinen Freund F M Felder