VON ALBERT ILG AUS WIEN

lfndenr: 
327
1. Mai 1867

Hochgeehrter Herr!

Möchten doch E. W. verzeihen, daß ein fremder, durch nichts Ihnen verbundener Mensch sich erlaubt, Ihre Zeit und Auf­merksamkeit auf diese Weise in Anspruch zu nehmen, vor­züglich, da er Ihnen so wenig nur und so unbedeutendes zu sagen weiß. Aber er wagt es und hat er auch keine andre Motivirung seines Thuns, als daß der mächtige Einfluß Ihres reichen Gemütes, Ihres hohen, reinen Geistes ihn geheimnis­voll angezogen hat! Es gibt ja eine Sphäre, in deren Umhül­lung die Hinderniße der Zeit, des Ortes, aller äußeren Ver­hältniße schwinden, die Sphäre der geistigen Berührung. - So sage ich denn, daß ich Ihnen, hochgeehrter Herr, reichen Dank für die Freude und Erquickung schulde, die Ihr Nümma­müller mir bereitete und wage hiermit dieses Bekenntnis, wenngleich ich freilich einsehe, daß E. W. mit änlichen lästi­gen und unnützen Schreiben überflutet würden, erlaubten sich alle, die denselben Genuß hatten, ein gleiches. Mir war jenes Buch, von dem einer Ihrer größten Landsleute in Wien zu mir sagte, daß es frischer Heu- und Alpenduft sei, was mir der Anblick Ihrer herrlichen Heimat wäre, könnte ich dieselbe nocheinmal schauen; es war in dieser sonderbaren, vielfach leidenvollen und unerquicklichen Welt der Residenz ein unendlich erfreulicher Gruß der Idylle, der tausendfache Sehnsucht aufs neue wachrief. Diese herrlichen, biedern Menschen mit ihrem stillen Leiden und ihrer stillen Freude, mit ihrer klaren, Gottvertrauenden Lebensanschauung, ihrem arglosen, wackeren Wesen, die aber trotzdem keineswegs das unwahre von Gessnerschen und änlichen Puppen in sich tra­gen, sondern vielmehr nur wahres, echtes, frisches Blut und Leben, - sie machten auf mich einen beinahe heilenden Ein­druck, ihr Wesen flößte gerade durch seine Verschiedenheit Balsam in die vielfachen Wunden, die wie allem fühlenden auch mir das Schicksal geschlagen, ich sah aus dem unruhi­gen, unklaren und verworrenen Gang des eigenen Seelen­lebens da plötzlich wie in eine freundliche, sonnige Land­schaft, in einen reinen Spiegel und der Trost, das Labsal, das teilweise auch dem schwersten Leide durch ein so lichtes Gegenbild erwachen mag, danke ich Ihnen, hochverehrter Herr! Und wenn Sie bedenken, daß selbst ein so unbedeuten­des, schwaches und schwankes Wesen wie das meine auf solche Weise durch Ihr Werk erhoben u. erfreut werden konnte, wenn E. W. ferner davon die Wirkung desselben auf große, bedeutende Menschen in's Auge faßen, dann mag dieß doch einiger Trost sein für das reichliche Leid, das Ihnen wie allem Edlen die Gemeinheit zu bereiten im Stande war, es darf E. W. wol dagegen erquicken, daß der Ruf Ihres Strebens nun schon alle deutschen Gaue durchzieht.

Nur Ein Wort noch. - Ich wünsche nichts sehnlicher, als daß Sie, hochgeehrter Herr, dieses so auffaßen, wie ich es in War­heit meine, denn nur allzuleicht könnte es mißverstanden werden. Wenn ich nemlich E. W. versichere, allenfallsige Bedürfniße, die von Wien aus zu befriedigen sind, mit größter Freude besorgen zu wollen, so thue ich dieß nicht in der Absicht, mich eines Schreibens von Ihrer Hand rühmen zu können, (so wert es mir auch sein müßte) ich weiß eben, was recht ist u. erlaubt, auch sind nicht Sucht zu prahlen und Unverschämtheit die Motive meines Briefes gewesen, sondern lediglich ein mächtiger, inniger Drang zu danken, - aber, wie gesagt, es gereichte mir zu hoher Ehre und Freude. - Noch einmal, verzeihen Sie, hochverehrter Herr diese Äußerung der Freude und des Dankes. Hochachtungsvoll

Albert llg

Studirender der Philosophie. (Wien, Universitätsplatz.)

Keine