VON FRANZ MICHAEL FELDER AUS LEIPZIG AN JOSEF FEUERSTEIN IN BEZAU

lfndenr: 
550
7. Juli 1868

Lieber Freund!

Ich werde nun eilen müssen, daß mein Brief Dich noch in deiner Heimat antreffe. Sonst kam ich wol noch nicht zum Schreiben. Ich komme wenigstens nur selten dazu und wenn ich einmal festzusit­zen meine, werde ich gleich wieder auf die angenehmste Weise unterbrochen. Du aber sollst nun Deinen Brief haben weniger weil ich viel Besonderes weiß als um auch von dir eine Antwort zu bekommen. Mein Reisebericht muß leider kurz werden, obwol es viel des Interessanten zu melden gäbe, was ich für einen der schönen Abende zurücklege, wo wir wieder mitsammen plaudern können. In München traf ich Feurstein war in seiner Wohnung und verdanke seiner Freundlichkeit einen schönen Tag. Am Sonntag flog ich von dort bis Leipzig und seitdem bin ich hier. Leider will das Wetter bisher größere Spaziergänge nicht begünstigen dafür aber komme ich um so mehr in der Stadt herum. Auch die beiden Gesandten der Turner in Dornbirn, Luger und den Lehrer Thurnherr hab ich endlich gefunden. Die beiden scheinen sich gegenseitig satt bekommen zu haben denn jeder ist alein abgereist. Thurnherr war es auch, der die herrlichen Artikel über Leipzig ins Volksblatt schrieb. Mir wich er scheu aus, während Luger sich an uns anzuschließen suchte. Hier ist viel von den Zuständen unseres Vaterlandes die Rede. Die Leute hier stehen unseren Zuständen so fern, daß man mit den neuen Gesetzen schon alles gewonnen glaubte. Nun kommt der hinkende Bothe. Doch ich soll nicht über Kirche und Staat, sondern einen schlichten Bericht von meinem Hiersein schreiben. Aber wo anfangen. Der Verkehr mit Gleichstre­benden thut mir wol. Daheim muß ich einen großen Theil meiner Kraft verwenden, mich in mich selbst zu verschließen und unemp­findlich zu scheinen auch wenn mich etwas recht schmerzlich trifft. Daß ich aufthauen konnte, kam selten vor. Doch zuweilen, z. B. wenn ich bei Dir bin, ists auch der Fall und dagegen giebts auch hier genug solche Kreise wo ich es nicht kann. In etwa 14-20 Tagen denke ich in meine Heimat zurück[zukeh­ren]. Wärsda nicht möglich, daß wir, wenn du von Wien kommst, in München zusammen träfen und mitsammen heimführen? Ich bitte, mir Genaues darüber zu schreiben. Um deine Reise nach Wien beneide ich dich ordentlich. Ich möchte schon auch einmal hin, doch nicht zu einer Festzeit, wo alles aus dem Gleis kommt. Wenn du Keßlern triffst, so frag ihn doch, warum er mir nicht mehr schreibe. Bergmann laß mir grüßen und alle die mir etwa nachfra­gen sollten. Mein Roman wird jetzt gedruckt. Ich werde schon etwas davon mitbringen. Dein Plan übrigens bei uns in deinem Verlag so kleine Volksschriften herauszugeben, gefällt mir immer besser, jemehr ich mir auch ins Geschäftliche einen Einblick verschaffe. Wir müssen jedenfalls von der Sache reden. Leipzig hat sich seit letztem Sommer bedeutend erweitert. Das Johannisthal wird immer mehr verbaut. Die Kluft zwischen arm und reich, gelehrt und ungelehrt ist hier viel, viel größer als bei uns und fast vergeht einem die Hoffnung, daß sie bald gelöst werde, jene Frage, die ich für die wichtigste halte und in der ich alle ändern sehe. Überhaupt scheint mir, ob man in unseren Bergen viel muthiger, hoffnungsvoller bleiben könne, als da, wo man entweder nur den glatten Boden und die sorglos hintanzende Menge oder nur den gähnenden Abgrund mit seinen Verlorenen sieht. Doch davon mündlich mehr und viel viel.

Herzlichen Gruß und Handschlag allen in und außer unserem Verein die für Selbständigkeit und wahre Befreiung unserer wak­kern Landsleute wirken. Besonders auch den Kristian, Greber in Au Reinhardt und natürlich auch Deiner Frau.

Ich erwarte bestimmt ein Schreiben von Dir zu erhalten und recht viel zu erfahren. Meßnern würde ich auch grüßen lassen, aber der könnte es so deuten, ob ich ihn an die versprochene Pfeife mahne und das will ich nicht - sag es ihm nur - obwol ich gestern die Meine zerschlug und heute eine Neue kaufen muß. Lebe recht wol. Es grüßt Dich    Dein Freund

Franz Michael Felder

Keine