VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS FELDKIRCH

lfndenr: 
8
11. Januar 1858

Lieber Franz Michel!

Dein Brief, den ich heute erhielt, hat mich so gefreut, daß ich mich diesen Abend noch hinsetze, um Dir eine Antwort zu schreiben, obgleich Du erst einen Brief von mir bekommen haben wirst; denn wir hatten fast zur selben Zeit den Gedan­ken, einander zu schreiben. Diese Freude bewirkte aber nicht etwa das Geld, wie Du unten bemerktest (in Deiner Beilage), denn ich bin gerade in keiner Geldverlegenheit, sondern Dein Brief bewirkte sie. Mag Dich der meinige nicht geringer freuen, wie ich Dir wünsche. Das Geld jedoch nehme ich dankbar an, denn ein Student weiß es immer zu brauchen. Es freute mich herzlich Dein Glückwunsch. Es freute mich aus dem ganzen Briefe lesen zu können, wie aufrichtig Du mir gewogen bist. Es freuten mich die Nachrichten, die Du mir von Dir und Anderm mittheiltest, und die Grüße die Du mir schicktest. Es freute mich ferner nicht wenig, daß Du in einer Zeit, wo die Meisten Alles aus sich zu vermögen glauben, Dich meinem Gebete empfahlst, und auch für mich zu beten versprachst. Das ist die höchste Weisheit des beschränkten Menschen, wie wir Alle sind, daß wir unsere Ohnmacht erkennen, und einsehen lernen, daß wir aus uns gar nichts vermögen, sondern nur in dem der uns stärkt. Was ist unsere Weisheit? Wir können schreiben und lesen und etliche Spra­chen lernen, wir können die Gesetze der Natur erforschen, und finden am Ende, daß Alles ein Geheimniß ist. Wir können Geschichte studieren und sehen zuletzt, daß fast Alles erlogen ist. Wir können Religion studieren, und sehen immer mehr ein, daß wir glauben müssen. Nur so viel hat uns Gott ge­offenbart, daß wir erkennen können, daß unser Glaube auf einer festen unfehlbaren Basis beruhe. Wie groß ist alle menschliche Weisheit? Wie leicht kann dieses Wenige zu Grunde gehen? Oft wird gerade der Gescheideste ein Narr. Oft sind die gelehrtesten Köpfe, die auf sich selbst bauen, des Lebens ganz überdrüssig. Eine kleine Krankheit kann Dir die Schönheit rauben, ein vernachläßigter Funke Hab und Gut. Aber ein Herz, das auf Gott vertraut, ist immer froh; fest und heiter bleibt es, wenn Scharen von Hindernissen seinen Weg durchkreuzen; männlich steht der Gottesfürchtige da, wenn alle Lästerer ihre Mäuler öffnen, wenn Alles gegen ihn zu kämpfen scheint. Hingegen wird der Gottlose von den Lei­denschaften hin und hergetrieben wie ein Rohr. Viehisch sind seine Freuden, und oft bringt ein kleines Leiden ihn an den Strick.

O schönes Ende eines lustigen Leben's! ­Solche Freuden biethen die Leidenschaften.

Nicht wahr, der Jochum ist ein ganzer Jesuit geworden! Jetzt schreibt er mir statt eines Briefes eine Predigt. Dieses schreibe ich nicht so fast, um Dich zu warnen, denn Du weißt schon selbst, was Du thun mußt, sondern vielmehr um Dich anzutreiben auf einer guten Bahn unverdrossen vor­wärts zu schreiten. Studiere Alles, was du anfängst, recht, und bestrebe Dich vor Allem, einen kernfesten männlichen Karak­ter Dir anzueignen. Wie gut nimmt sich ein wahrhafter Mann aus unter den unzähligen Feiglingen (Schmalz- u. Brodschwät­zern) und wie glücklich und geachtet ist er, wenn man ihn auch verläumdet. Du bist von Gott in eine Lage gesetzt, wo Du einen standhaften Karakter ausbilden kannst, Du hast mit vielen Hindernissen zu kämpfen, aber Kampf und nur Kampf allein macht den Sieger. Je schwieriger der Kampf, desto rühmlicher der Sieg. Fange nicht zu Vieles an, aber was Du anfängst, vollende. Verderbe nicht die schönen Gaben des Herrn, sondern bilde sie aus für ein schöneres Leben. Dabei sei lustig und fröhlich, und verscheuche überflüssige Sorgen. Noch ist es zu früh, graue Haare wachsen zu lassen. Jetzt hört meine Predigt auf, und ich gehe auf die des Jesuiten über. Es wäre mir Lieb gewesen, wenn Du mir den Namen geschrieben hättest. Er scheint streng gewesen zu sein. Aber ich sage Dir, wenn ich ein Prediger wäre, würde ich es auch nicht gar gelinde machen. Oft wirkt bittere Medezin besser, als süße.

Bei Leuten, die erst bekehrt werden müssen, wie es leider heut zu Tage viele gibt, nützt von der Liebe Gottes reden, oft sehr wenig. Sie wollen oft lieber von einem Mädchen, oder Jüngling geliebt werden, als von Gott. Aber wenn man ihnen die Gebothe Gottes wie sie sind und daneben Hölle und Him­mel hinstellt, so wachen Manche auf. Die Furcht treibt sie zur Buße, und wenn sie auf diese Weise auf dem rechten Wege sind, so kommt dann die Gnade von selbst und lockt sie durch Liebe an. Man sollte allerdings solche Mittel nicht brau­chen müssen, und jedenfalls müssen sie durch trostreiche Reden gleich unmittelbar gemäßigt werden, damit sentimentale Köpfe nicht verwirrt werden. Aber für Manchen ist es recht gut, wenn er dem Teufel einmal in's Gesicht gucken muß.

Es freut mich auch, daß Dir Zimmermann gut gefallen hat, und wünsche, daß Du mehrere gute Bücher bekommst. Ich weiß Dir gerade keins anzugeben. Sprich, wie ich Dir schon geschrieben habe, den Loderer um solche an. Wie es mir geht, wirst Du im ersten Briefe gesehen haben, daher weiß ich Dir auch nicht viel zu schreiben. Grüße mir meine und Deine Mutter, und das Sieber'sche Haus. Ich lasse mich recht schön für den Neujahrswunsch, den sie mir schickten, bedanken und wiederhole meine Wünsche. Zu was ich mich entschlie­ßen werde, weiß ich selbst noch nicht. Bete für mich, wie Du es versprochen hast; ich will es auch thun. Sich die Hände in Gott reichen ist wahre Freundschaft.

Der Mutter kannst Du sagen, meine Haare seien bedeutend gewachsen; sie seien 7 Ellen und eine Handbreit lang, wie der Riese Goliath. Auch mein Bart sei bedeutend hervorgewach­sen, und so müsse ich ein posierliches Aussehen haben. Zeit u. Raum verbieten mehr zu schreiben. Schicke mir auch gelegentlich wieder ein Briefchen. Mit Dank und Gruß Dein Freund

Jochum

Keine