VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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22. Dezember 1860

Mein theuerster Freund!

Schon lange ist es seit ich Deinen (lange reisenden) letzten Brief vom 14. Juni erhielt, u. erst am  Rande dieses Jahres komme ich zu einer Antwort. Vor allem wünsche ich Dir, mei­nem theuersten Freunde, ein recht glückliches, sorgenloses neues Jahr; kein Unglück möge Dir künftighin Dein Leben verbittern, neues und ungetrübtes Glück wird, wie ich hoffe und wünsche, in Deinem Hause einziehn. - Mit großer Ge­spanntheit las ich öfters die Beschreibung Deiner gräßlichen Todesgefahr, aus der Du wie durch Wunder glücklich gerettet wurdest. Das war die herrliche Frucht wahrer Freundschaft, die auch das Leben seiner selbst für das des Freundes einsetzt. Das Geschick hat Dich noch nicht von dieser Erde abberufen; gebe Gott, daß noch viele Freuden Dir vorbehalten sind. Das glaube ich auch hoffen zu dürfen, denn ich sah, daß Du immer zufriedener wirst, - und Zufriedenheit trägt wirklich am meisten zu unserem Glücke bei -, wozu Du auch Grund hast. Ja Grund hast Du dazu, mehr als Du selbst einsehen kannst, weil Du nie ein anderes als sorgenloses und selbstän­diges Leben kennen gelernt hast. -

Wenn Du in Deinen wissenschaftlichen Arbeiten auf Unsiche­res und Zweifelhaftes stößt, kannst Du überzeugt sein, daß es Dir gerade geht, wie allen ändern die sich mit derlei Sachen befassen, u. es würde Dir in Wien auf der Universität, oder in Paris, ja selbst in der Propaganda in Rom nicht besser gehen. Zudem bist und bleibst Du unabhängig, u. hast neben Deiner häuslichen Arbeit ebensoviel Muse für Wissenschaft, als ein gehetzter Beamte oder Professor ect. hat, u. gewiß auch soviel Lust dazu, weil Du durch körperliche Arbeit in gesunder Luft Deinen Geist nach einer Abspannung stärkst, u. vor Überspan­nung schützest. Dazu scheint Amor Dich gegenwärtig in Dei­nem edilischen Leben zu begünstigen.

Es scheint mir also, daß Dein Leben glücklich u. beneidens­werth dahin fließen wird. Daß dem so sei und sein werde, wünscht Dir aufrichtig Dein alter Freund zum Neujahre. Ich habe seit meinem letzten Briefe auch manches durchzu­machen gehabt, was nicht gerade angenehm zu nennen ist. Bis Oktober wußte ich vor Arbeit nicht wo anfangen; nachher war es in dieser Beziehung besser, aber in finanzieller dafür schlechter. Ich kam nämlich um meine beste Lektion, indem mein Zögling nach Pest übersiedelte, u. so wurde meine ohnehin nicht glänzende Lage noch verschlimmert. Ich hoffe nun, das neue Jahr werde auch mir mehr Glück bringen, als das alte. Noth habe ich zwar gerade nie gehabt, wohl aber bei einigen bekannten Studenten Schulden contrahirt. Trotz dem habe ich mich immer in die Verhältniße zu schicken gewußt und bin nie gerade unzufrieden gewesen. Gesund war ich immer.

J. Josef Felder hat mir von Bordeaux aus einen Brief geschrie­ben; er ist gesund und zufrieden. Ich schickte ihm bald eine Antwort, weil er mir schrieb, daß er vielleicht nicht mehr lange daselbst bleiben werde, u. zwar schrieb ich ihm in fran­zösischer Sprache.

Sonst weiß ich Dir nichts Neues zu berichten; was in Zeitun­gen zu lesen ist, weißt Du so gut als ich. Ich hoffe nach Vollendung des III. Curses wieder einmal das Glück zu haben, Dich u. meine ändern Freunde auf heimat­licher Erde selbst zu sprechen; wobei wir uns sicher viel zu sagen haben werden. Ob dieß sicher ist, werde ich Dir schon später schreiben, da ich jetzt noch nicht wissen kann, wie sich die äußer[n] Umstände gestalten werden. Warum ich so lange auf eine Antwort warten ließ, wird Dir aus dem bereits Gesagten von selbst einleuchten, und Du wirst deßhalb nicht böse über mich sein, wie ich hoffe; beson­ders wenn ich Dir versichere, daß ich mir oft zu schreiben vornahm, aber immer eine passendere Zeit u. bessere Nach­richten abwartete, und daß ich oft an Dich dachte u. mich mit Freuden an unser früheres Beisammensein erinnerte. Ich habe nun noch eine Bitte an Dich zu richten: Das Armuts­Zeugniß, um das ich an Pfarrer Thiefenthaler schrieb, habe ich richtig v. J. Jakob Felder erhalten, aber er hat es nicht so gemacht, wie ich es wünschte, besonders da der Zweck „Befreiung v. Collegiengelde" darin angeführt war, (ich schrieb dies nur damit ich es schnell bekomme); nun kann ich es aber zu sonst nichts brauchen; u. da ich gegen Frühjahr, wenn Stipendien ausgeschrieben werden, um ein solches ansuchen möchte, u. weil man überhaupt aus verschiedenen Gründen ein solches benöthigen kann, so muß ich wieder ein anderes haben. Ich laße mich daher für das Geschickte bedanken, bitte aber mir gelegentlich ein Neues zu schicken, wenigstens bis Mitte März. (Aber ohne den Zweck anzufüh­ren, denn sonst könnte ich vielleicht bald wieder um ein neues schreiben müssn).