VON G. C. WITTSTEIN AUS MÜNCHEN

lfndenr: 
629
15. November 1868

Hochgeehrtester Herr!

Selbst auf die Gefahr hin, Ihrem Schmerze neue Nahrung zu geben, drängt es mich, Ihnen wegen des Sie betroffenen harten Schicksals­schlages meine aufrichtigste Theilnahme auszusprechen. Doppelt leid thut es mir nun, die Entschlafene nicht persönlich gekannt zu haben, denn solche Frauen, die mit dem Manne innig Hand in Hand gehen, sind große Seltenheiten, und darum der größten Achtung ihrer Mitmenschen um so würdiger. Der Grund meiner späten Antwort auf Ihr liebes Schreiben vom 14. Sept. ist lediglich der, daß ich Ihnen zugleich den Eindruck melden wollte, den Ihr Erstlingswerk „Nümmamüllers" auf mich und meine Frau gemacht hat. Wir sind jetzt mit dessen Lektüre fertig und haben uns an der schlichten und lebendigen Schilderung Bregenzerwald=Zustände recht erfreuet und erquickt. Wie ich lese, ist Ihr neuestes Werk „Reich und Arm" auch bereits im Buchhandel, es soll uns, wie „die Sonderlinge" gleichfalls später beschäftigen.

Aus meiner kleinen Familie kann ich Ihnen mittheilen, daß der Sohn seit 1. Oktober in Berlin ist und dort seine hier begonnenen mathematischen Studien fortsetzt.

Unter Versicherung aufrichtigster Hochschätzung empfehle ich mich Ihrem fernem freundlichen Andenken, und zeichne

ganz ergebenst Wittstein.

Keine