FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
256
23. November 1866

Lieber Freund!

Mein letzter Brief war bereits auf der Schneckenpost, als ich den Deinen erhielt, der mich recht herzlich gefreut hat und mich veranlaßt, Dir sogleich wieder einige Zeilen zu schrei­ben. Was Du dort sagst, ist ganz klar, und Du wirst sehen, daß ich das mir geschenkte Vertrauen rechtfertige. Nun heißt es, fest zusammenhalten und die uns zur Verfügung stehenden Kräfte richtig schätzen. Ich glaube, das zu tun, wenn ich auch zögere, dem Feurstein Deinen Brief zu schicken. Mein Grund ist folgender: Als ein behaglich Lebender geht ihm, wie Du ihm schon beim Reden ansiehst, das Gemütliche noch voran. In der Freude darüber, daß die Liberalen, vielleicht um sich beschwerend an uns zu hängen, eine gewisse Gemeinsamkeit der Interessen herausblicken lassen, und statt unklug zu brechen, wie in der Feldkircherin einstweilen einige Hinter­türen offen lassen, könnte der Mann, obwohl er nach meiner Ansicht bald unser sein wird, doch noch zu weit gehen. Die Liberalen haben ihn, wie mir scheint, bereits als künftigen Landtagsabgeordneten angesehen, und Seyffertitz hat bereits freundschaftliche Beziehungen mit ihm anzuknüpfen versucht. Feurstein hat mir das letzte Mal davon erzählt, bis ein, wie es scheint, grundloser Feuerlärm unsere Unterhaltung störte. Im Sommer stand er an der Spitze der Opposition gegen die Handelskammer, nun wird man vielleicht einen Zusammen­hang ahnen, nun wird es darauf ankommen, daß die Libera­len einen Faden in die Hände bekommen. Ich fürchte nicht, daß Feurstein den Brief in fremde Hände lasse, aber ich glaube, es wäre gefehlt, wenn er, sich mit Ganahl schon wieder eins wähnend, wieder in den alten Dusel käme, aus dem ich ihn jetzt so ziemlich heraus zu haben glaube. Einst­weilen werde ich ihm den Inhalt Deines Briefes und Deine Winke mitteilen, den Brief übersende ich, wenn Du es nach Erwägung des Obigen noch für gut halten solltest. Ich meine, zum Handeln wäre er noch nicht reif, und sonst ist es am besten, wenn er in seiner jetzigen, scharf beobachtenden, etwas isolierten Stellung gelassen wird. Wenn ich selbst nach Bezau ginge, würde ich den Brief allerdings mitnehmen. Ich glaube, wir sollten immer beten: Gott schütze uns nun vor Freunden etc. Doch wir müssen, da unser Krieg kein sieben­tägiger sein wird, uns wohl einrichten. Ich studiere einst­weilen den Kampfplatz und will Dir meine Gedanken kurz zur Berichtigung, Ergänzung oder Beistimmung mitteilen. Die jetzigen Parteien in Vorarlberg werden so nicht mehr fortbestehen, nachdem wir den Keil eingetrieben, wir dürfen daher keine Mauer aufrichten während der Überschwem­mung, sondern müssen auf felsenfestem Boden die Klärung abwarten. Etwas werden die Parteien selbst durch ihre Geg­nerschaft uns zutreiben, eine reaktionäre Masse aber, zu der ich Liberale und Konservative größtenteils zähle, wird immer bleiben. Einstweilen sollten wir, um nicht ins Schlepptau des freisinnigen Fortschritts genommen zu werden, froh sein, da wir noch nicht breit sein können, das sage ich, obwohl ich, wie Du siehst, mich der Hoffnung hingebe, daß wir durch die beiden jetzigen Parteien und ihren Hader stark werden können. Ja, das hoffe ich und habe daher Bedenken, den Tannbergeraufsatz, so wie er ist, erscheinen zu lassen. Glaubst Du nicht, er könnte jetzt und in dieser Form, während der nun entstehenden Gärung im Lager der Konservativen, die doch zum Teil zu klug sind, sich den Forderungen der Zeit (siehe Venetien) entgegenzustellen, unsern Bestrebungen sehr nachteilig sein. Wenn Du meiner Ansicht bist, was ich bald zu erfahren wünsche, so werde ich unserer heiligen Sache mit Freuden ein Opfer bringen und den Aufsatz einstweilen zurückfordern. Das Erscheinen der Sonderlinge wäre mir sehr erwünscht, die würden uns neue Türen auftun und auch von außen Gewicht verschaffen. Unser Vorsteher hat die Broschüre am Sonntag erhalten, aber noch nicht gelesen. ­Das Interessanteste wäre dem Menschen zu wissen, wer das gemacht und was es eigentlich bedeute. So viel, sagte er, habe er heraus gebracht, daß es Gesinnungsgenossen von mir seien, die es freuen würde, wenn sie von mir wüßten. Ich erwarte mit Begierde die von mir und den Oberhausern be­stellten Landtagsberichte. Unterdessen lerne und lese ich, so viel ich Zeit habe, da ich's wohl noch brauchen werde. Damit, daß nun keiner mehr einen öffentlichen Schritt allein tun soll, bin ich einverstanden, wie Du Dir denken kannst, und öffentlich könnte jeder Schritt werden bei der Beachtung, die man uns bald schenken dürfte. Ich bin froh, daß ich jetzt so ziemlich über meine Zeit zu verfügen habe. Das Dorfge­schichtenschreiben laß ich einstweilen bleiben, doch werde ich auch als Dichter stets für unsere Sache einstehen, wie ich es schon im Nümmamüller getan habe. Den heutigen Brief werde ich vom Wible adressieren lassen, damit der Bote nicht zwei mit gleicher Handschrift bekommt. Und nun genug für heute. Ich erwarte recht bald Antwort und hoffe, daß Du Dich auch über diese Auseinandersetzung aussprechen wer­dest. Ein Brief an Feurstein geht mit diesem ab. Den Förster hab ich höflich befriedigt oder abgefertigt, je nachdem er es nimmt. Der Mensch will sich mir zu sehr und zu unver­schämt einnisten; doch davon später. Schreibe recht bald. Mit Brudergruß und Handschlag Dein und unser

Fr. M. Felder

Sei so gut, mir auch den ungarischen Landtagsbericht zu schicken!

Keine