VON HANNS KODERLE AUS BEZAU

lfndenr: 
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27. April 1867

Lieber Herr Felder!

Beiliegend erhalten sie mit vielem Dank die Romanzeitung und das Ausland wieder zurück. Entschuldigen Sie, daß ich erstere so lange bei mir behalten habe.

Gleichzeitig benütze ich die Gelegenheit Ihnen zu der in der letzten Gartenlaube erschienenen, von Dr Hildebrand verfaß­ten Biografie von Ihnen zu gratulieren, die für Sie sehr ehrend, schmeichelhaft, aber auch wahr und aufmunternd ist. Mit wenigen Mitteln hat Herr Hildebrand treu zu schildern und dem persönlichen hart erworbenen Verdienste den Ehrenplatz zu wahren gewußt. Pflegen Sie aber auch die warme Freundschaft des H Hildebrand und das ausgespro­chene Wohlwollen aller Ihrer Freunde in Leipzig, das nicht allein einem jeden in einen abgelegenen Erdenwinkel und ungünstige beschränkte Verhältnisse verschlagenen Men­schenkinde wohlthut, erhebt u. stärkt, sondern auch auf der betrettenen Bahn als leitende Hand unentbehrlich ist. Sie haben sich Gottlob auf der Bahn des Schriftstellerthums einen Sitzplatz errungen, Freunde werden schon für weitere Errun­genschaften und Erhebung Ihres Namens sorgen, ich, der ich seit Jahren mühevoll auf diesem Wege ringe hat heute noch eine bei Weitem kürzere Strecke zurückgelegt obwohl ein halbes Hundert größerer literarisch rein wissenschaftlich technischer Aufsätze, in verschiedenen Fachblättern zerstreut, bekannt sind, obwohl bereits fünf größere Arbeiten, lauter selbständige Schriften in den Händen der Verleger u. eine sechste am Wege der Vollendung ist. Doch ich glaube mit Ausdauer auch mir einen Namen, allerdings nur bescheidenen Andenkens zu sichern, doch gehört hiezu auf dem von mir betretenen Wege noch viel Mühe Schweiß und - Tinte, dieses schwarze Beamtenblut, welches erst vergossen werden, und in Strömen fließen muß, ehe man unseren Namen nennt. Doch was schwadronire ich von Namen etc von Thatsachen, die noch im Nebel liegen.

Künftige Woche, Freitag reise ich nach Paris auf etliche Tage zur Ausstellung, vielleicht werde ich auch London besuchen. Sie können sich denken, daß ich mich auf diese Reise freue, weil sie mir für mein Steckenpferd „Mechanik, Physik etc" viel Sehenswerthes biethen wird. Auch verbinde ich damit ein Geschäft, nehmlich den Ankauf einer neuartigen Holzschneidemaschine mit der man täglich circa 2000 bis 3000 Käsedek­kel von 24 Zoll Durchmesser fabriciren und alle Arten harten u. weichen Holzarten von obiger Schnittbreite bis zur Dicke eines Papierbogens schneiden kann. Preis circa 4000 Frank. Dieser Tage habe ich einen Mann vermocht hier auch eine Schneidemaschine aufzustellen mittelst welcher man täglich bei 1000 drei Fuß langen Fugenschindeln aus jedem selbst dem verdrehtesten Holze, selbst aus dem Stockholze machen kann. Die Maschine kostet nur 380 fl u. kann mit einem kleinen Wasserl getrieben u. von einem Men­schen bedient werden. Mit diesen Schindeln würde man die Dächer mit dem Vs bis 1/4 Theil Holz decken können, weil die Fugen einen dichten Verschluß gestatten u. keiner dop­pelten Holzlage bedürfen, wie dieß bei den Spaltschindeln der Fall ist.

Die Dachdeckung würde alsdann wie nebige Zeichnung mit bedeutender Holzersparniß ausfallen, in der aa die Sparren, | die Schnittlatten bbb die Schindeln, welche mit leichten und wohlfeilen Stahlnägeln zu befestigen sind. Solche Dächer sind sehr leicht, nicht Schneehaltig und wohlfeil, weil hiezu kein schönes spaltbares Holz sondern nur das mindere Abfall­holz verwendet werden kann.

Auch habe ich dieser Tage das Projekt der Strassenverbindung über die Schnepfegg angeregt. Nach der von mir projektirten

                                                                                                                                                            Lienie würde man höchstens 2 Zoll Steigung auf die Klafter erhalten also noch weniger als jene von Egg bis Alber­schwende. Ich u. der Techniker, von Bezau Rüscher werden die Lienie vermessen, berechnen u. das Ganze samt Plan in Brochürform herausgeben, wenn sich hiezu Beiträge von circa 80 bis 100 fl finden um die Druckkosten zu bestreiten u. circa 200-300 Exemplare im Walde umsonst zu verbreiten. Nur auf diese Weise wird die Sache erwogen und der Beweis mittelst Ziffern geführt, daß die Lienie Schnepfau Mellau samt ihrer Streckenführungen über die Ache u. Mellauerbäche oder der Felsensprengungen bei Hirschau ungleich kostspieliger ausfal­len müssen. Dieser Tage wird die Nivelirung vorgenommen werden.

Ist dieses geschehen so werden wir das Projekt einer Pferde­bahn von Egg bis Lautracher Bahnhof längst dem Wasser geführt in die Hand nehmen. Sie sehen, daß auch ich für den Wald etwas thue.

Ich möchte noch mehr schreiben, doch die Zeit des Bothen­abganges rückt heran u. ich muß schließen. Bis ich von Paris zurückkomme schreibe ich mehr. Ihr aufrichtiger

Hanns Koderle

Keine