VON JOHANN GEORG LUGER AUS DORNBIRN

lfndenr: 
661
21. Januar 1869

Vielgeehrter Freund!

Als ich heute Abends von einem Geschäftsgang heimkam, wurde ich sehr freudig überrascht, als ein Junge in meiner Werkstätte saß u. mir einen Brief von Ihnen überreichte. Als ich ihn las fand ich erstens, daß Ihnen sehr viel daran lag, einen Ihrer jungen Vetter auch ein selbständiges Gewerbe (das Schuhmacherhandwerk) erlernen zu lassen u. zweitens, die herzlichsten Glückwünsche zum Jahreswechsel.

Die beiliegenden Erinnerungsbildchen oder Andencken, von Ihrer treuen, sei. Gattin haben mich tief ergriffen u. herzlich gefreut u. werde sie nächstens unter die damaligen noch ahnungslosen Reisegefährten austheilen.

Bezüglich der Bitte die Sie an mich stellen, bin ich in der angeneh­men Lage Ihnen u. Ihrem Mündling dienen zu können, indem ich einen Lehrjungen brauche. Es hat zwar vor einigen Wochen bei mir Einer angefragt, dem ich - aber nicht gewiß, doch in Aussicht gestellt habe, bei mir eintreten zu können; er hat sich aber bei den Bedingungen so ziemlich hölzern benommen u. ich zweifle sehr, daß er sich einfinden wird.

Die Bedingungen wären folgende: erstens, 2 1/2 Jahre Lehrzeit, zweitens, 60 Gulden Lehrgeld u. zwar wie es hier allgemein üblich; die eine Hälfte beim Eintritt, die andere bei der halben Lehrzeit; drittens, da er zu weit von Haus entfernt ist weitere 10 Gulden für waschen u. flicken u. viertens hat er 14 Tage frei, wenn es ihm nicht passen sollte, wieder auszutreten. Noch habe ich zu bemerken, daß die obigen Bedingungen sich im Durchschnitt hier höher als niedriger belaufen; zudem würde ich mir Mühe geben ihn so gut wie möglich vorwärts zu bringen, da ich die Lehrjungen immer selbst beaufsichtige, während sie vielfältig nur den Arbeitern überlassen sind. In meiner Nachbarschaft wohnt noch ein guter Meister, der auch einen bedürfte, da aber die Zeit zu kurz ist um bei demselben anfragen zu können, da Ihr Bote wieder zu schnell abgeht. Sollten Sie es jedoch wünschen so werde ich mit größtem Vergnügen bereit sein mit ihm darüber zu sprechen. Nun hätte ich dann auch noch eine Gegenbitte zu stellen. Da ich weiß, daß Sie Sich alle mögliche Mühe geben das Volkswohl zu befördern u. die Arbeiter Ihnen besonders auf dem Herzen liegen, so möchte ich Sie innigst bitten, mir über meine Wünsche Auskunft zu geben.

Es geht in meinem Kopfe schon längere Zeit der Gedancke herum, einen Roh Stoff verein für Schuhmacher zu gründen, findet aber bis dato keinen richtigen Ausweg, denn unsere Meister sind in dieser Beziehung noch sehr weit zurück, u. somit finde ich nirgens eine mitrathende Stimme. Nun will ich einiges über unsere Verhältnisse mittheilen. Wir haben Größere u. Kleinere, bemittelte u. unbemit­telte, kreditvolle u. kreditlose Schuhmacher wie überall. Die Größern oder die Bemittelteren kaufen die Rohstoffe freilich aus größeren Häusern, aber immer noch nicht so billig als wie in einem Verein.

Die Kleinern oder Armen, die sind traurig daran, denn sie müssen die Rohstoffe immer im Kleinen u. Einzelnen von den Krämerseelen kaufen u. somit immer 20 - 40% aus ihrem armen Geldbeutel schwitzen, u. können zudem nicht einmal denselben Preis verlan­gen für die fertige Waare wie die Erstem. Und eben das ist es, dem ich gern entgegen steuern möchte. Ich habe zwar schon eine Zeitschrift bestellt (Blätter für Genossenschaftswesen v. Schulze Delisch) möchte aber noch Wercke oder Anweisungen wie diesel­ben gegründet u. geleitet werden. Ich habe mir vorgenommen mit meinen Ideen nicht eher ans Tageslicht zu treten, bis ich einigerma­ßen vorbereitet u. somit im Stande bin allenfalsige Vorurtheile bekämpfen zu können, damit nicht etwas ins Leben gerufen wird um desto schneller wieder absterben zu können. Nun möchte ich Sie schließlich nochmals im Interesse der armen Schuhmacher innigst bitten mir solche Wercke schriftlich zu bezeichnen, damit ich sie kaufen kann.

In der Hoffnung einer baldigen Antwort verbleibe ich mit vielen Grüßen

Ihr ergebenster Freund Joh. G. Luger

Nachschrift: Da ich in Eile u. bei Nacht schrieb versündigte ich mich wieder die Briefordnung, indem ich den Brief verkehrt anfing u. in der Eile fortfuhr bis gegen Ende u. dann erst die Beobachtung machte; Bitte daher um gütige Nachsicht.

Keine