VON JOSEF FEUERSTEIN AUS BEZAU AN FRANZ MICHAEL FELDER IN LEIPZIG

lfndenr: 
559
13. Juli 1868

Lieber Freund!

Dein Schreiben habe ich heute weiter an Dein Wible durch die Post gesendet, u. ich erfülle hiemit Deinen Wunsch Dir sogleich zu antworten; ob es mir gelingen wird Dir interessante Neuigkeiten mitzutheilen oder ob ich Dir vielleicht gerade von jenem erzählen werde, was Dich am wenigsten interessirtdas ist freilich eine Frage; aber meine Aufgabe habe ich jedenfalls gelöst. Das erste oder vielmehr von was man bei uns immer am meisten spricht ist immer das Wetter nur das ist zum Heuen verteufelt schlecht, kaum hat man gezettet so erscheinen wieder am Hang u. auf der Loose drohende Wolken, u. mit aller Eile muß man wieder ans aufheuen; Ja Du bist ein ganz glücklicher Mensch, daß Du Dich dieser Würgerei durch einen kühnen Zug entzogen. - Aber zu gleicher Zeit hast Du auch nicht Gelegenheit die Vorträge bei Entwerfung der Statuten für den katholischen Verein in Au zu hören, während Dein Vet[t]er der Uhrenmacher hiezu herrliche Gelegenheit hat. Aber es ist eben ein kurzer Genuß, denn in Zukunft wird er denselben entbehren müssen, da er als Mitglied aufgenommen zu werden nicht für würdig befunden werden wird. Über die nähern Vorgänge wirst Du von Uhrenmacher bereits Bericht erfahren haben.

In Bezau wurde vom Hochw. Herrn Pfarrer die Bildung eines Kassinos in Antrag gebracht, eines echt katholisch konstitutionel­len, bei welchem nur katholische Grundsätze zur Sprache kommen dürfen, u. unter katholisch verstehe man alles das wie es der Papst in Rom auslege und verstehe. /:Unterwerfung und Anerkennung der Allokution.:/

Herr Pfarrer hielt beim Gemeindevorsteher und den bessern Bür­gern Nachfrage, fand aber für seinen Vorschlag wenig Beistim­mung, und erhielt zur Antwort man wolle sich wenigstens in politischer Beziehung nicht von Rom abhängig machen. Nun unterbleibt die Gründung des Cassinos in Bezau vorläufig. - Ueber das Vereinswesen will ich keine weitläufigeren Auseinanderset­zungen machen Du kennst meine Ansichten hierüber, daß ich es als Fortbildung der Schule betrachte wenn es vernünftig geleitet, u. nicht von gewissen Partheien ausgebeutet wird. Aber etwas eine interessante Neuigkeit muß ich Dir noch mittheilen. Der Herr Bezirksvörster Koderle ist vom Katholischen Kassino in Egg eingela­den worden als Gast eine Rede über Forstkultur zu halten, da die Herren eingestehen, sie verstehen in dieser Sache eigentlich nichts, - u. Herr Bezirksförst. hat Lust diesem Rufe Folge zu leisten da er dem angenehmen Gefühl zu glänzen, u. wie er sagt der Pflicht seines Amtes nachzukommen nicht wiederstehen kann. Ueber Deinen Vorschlag auf der Rückreise in München zusammen zu treffen, kann ich Dir vorläufig leider keine bestimmte Auskunft ertheilen, so angenehm mir dieß gewesen wäre; denn mit mir reißt noch Kaufmann von Bezau u. Metzler von Schwarzenberg, u. da bin ich nicht mehr vollkommen frey, sondern muß mich von meinen Reisekolegen auch bestimmen lassen, das ist eben das Traurige das die Freiheit eigentlich nur im Reiche der Ideen liegt. Mit herzlichem Gruß

Dein Freund Josef Feuerstein

Wenn Du mir nach Wien noch schreibst so ist meine Adreß: J. Feuerstein bei Dr. Andreas Fetz k. k. Hof u. Gerichts=Advokat Stadt

Wipplingerstraße

in Wien

Am 20sten reisen wir ab und werden uns wahrscheinlich  in München, Salzburg und Linz aufhalten u. 24. in Wien ankommen u. bis 30sten dort bleiben. Vielleicht werde ich Dir von Wien noch einmal schreiben.

Keine