VON JOSEF NATTER AUS FINSTERSEE

lfndenr: 
603
12. September 1868

Lieber Freund!

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel erschrektest Du mich mit Deiner letzten Nachricht. Ich frage mich jetzt noch, ist es möglich, oder nur Traum, wenn ich jedoch Deine wenigen Zeilen immer wieder anblicke, so muß ich es doch für traurige Gewißheit halten.

Ja wohl, wer Dein Glück an der Seite dieses Wible gesehen, u. selbst mitempfunden hat, der begreift u. ermißt das Unglück, das Dich getroffen. Es wäre eigentlich meine Pflicht, Dich zu trösten, allein das würde dem Versuche eines Strohalmes gleichen, eine Eiche im Sturme zu stützen.   Doch wenn Theilnahme Leiden erleichtern kann, so kannst Du der meinigen im höchsten Grade versichert sein. Habe ich ja doch im Kreise Deiner Famielie die schönsten u. besten Stunden meines Lebens zugebracht, u. sollte nicht schmerzlich ergriffen sein, wenn diese meine eigentliche Heimath soviel von ihrem Reiz eingebüßt. Denn zu Hause konnte, u. kann es auch jetzt noch nicht, ich Dich nicht denken, ohne Dein Wible dazu. Doch wozu das alles noch einmal wiederholen, was wir schon lange gewußt, u. nurdazu dient, die Wunde noch schmerzlicher zu machen, besser ist es, sich in das Geschehen mannhaft zu fügen, u. dem Schicksal zu zeigen, daß es uns zwar wohl biegen, aber nicht brechen kann. Könnte ich jetzt nur einen Theil Deines Kummers übernehmen, u. Dir tragen helfen, aber das ist eben das Schlimmste, während alle Deine Freunde  Dein Glück mitgenossen,  können sie  Dir das Unglück mit dem besten Willen nicht tragen helfen. Doch, wenn ich Dir in irgend etwas dienen kann, o so bitte ich Dich, laß mich thun was ich kann, ich möchte Dir so gerne helfen, wenn ich nur könnte. Doch jetzt habe ich nichts mehr, als Thränen, es sind die ersten seit dem Tode meines Vaters, u. einen Gruß an die Hinterbliebenen

Deiner Famielie u. Dich.

Dein Freund Josef Natter.

ich gedenke auch Mitglied zu werden, wenn auch die Börse ein bischen protistirt, u. es bei einem Umschwung der Regierungsart vielleicht keine Empfehlung sein dürfte Mitglied gewesen zu sein, wenn ich um eine Lehrstelle ansuchen werde. In der jetzigen Zeit ist es aber Pflicht eines Jeden Farbe zu bekennen u. nach Möglichkeit dem Vorschub zu leisten, was man für das Beste hält. Es hat mich das letzte Mal gefreut viele mit Dir besprochene Ansichten von einem berühmten Professor der Medicin hier ganz in meinem Sinne klar u. deutlich entwickeln zu hören u. zwar mit fast ausnahmsloser Anerkennung beim Auditorium. Das wirkt selbstverständlich an­ziehend.

Es bleibt mir hiernach nichts mehr zu sagen übrig, als daß ich sehnlichst in Bälde einen Brief von Direrwarte, u. daß ich Dich, die Deinen meine Mutter, Uhrenmacher Felder Resel, Möslers, Leonis etc. freundlichst grüße beziehungweise grüßen lasse u. hoffe von Dir zu erfahren, daß Du glücklich zu Hause angekommen bist, daß es Euch allen gut geht u. Du Dir schon wieder neue Lorbeeren erworben hast.

Meine Addresse ist immer noch Rossau, Porzellangasse No 2. Thür 15 u. wenn der Brief nach meiner Auswanderung oder besser nach meiner Austreibung daselbst ankommt, werden die neuen Bewohner den Briefträger schon zu weisen wissen. Dich herzlichst grüßend Dein Freund

J.

Keine