VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
174
11. März 1866

Werthester Herr Felder,

Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir schenken, es macht mir große Freude, ist es ja eins der wohlthuendsten Gefühle die die Erde bietet, sich das Vertrauen eines Ändern zu verdienen. Es ist auch bei mir nicht an den Unrechten gekommen, ja ich kann noch mehr sagen, obwol Sie es wohl nicht recht begreifen werden: Ihr Brief hat mir den Tag, als er anlangte, zu einem wahren innerlichen Festtage gemacht, und wie meine Familie, so müssen auch alle meine Freunde und Bekannten meine Freude theilen - sie kennen Sie näm­lich durch mich schon aus Ihrem Schwarzokaspale, und wer das Buch noch nicht kennt, dem geb ichs nun zu lesen. Doch zur Hauptsache. Ich war nach Lesung Ihres Briefes ent­schlossen, für Ihre Sonderlinge alle Mittel anzuwenden die mir etwa zu Gebote stünden, um Ihnen einen namhaften Verleger zu verschaffen. Ich entwarf meinen Feldzugsplan, der vermöge verscbiedner freundschaftlicher Verhältnisse mehrere angesehene Firmen ins Auge fassen konnte, auch eine in Wien (Braumüller), die Ihnen als Ostreich. Landeskind vielleicht die angenehmste gewesen wäre? Aber bequemer hatte ichs freilich hier in Leipzig, und da ist mir denn auch gleich der erste Angriff über Erwartung geglückt, nämlich bei meinem eignen Verleger, S. Hirzel, der für neue Bücher und Autoren im allgemeinen sehr schwer zugänglich ist, wie ich selbst schon erfahren habe. Ich bat ihn darum auch nicht um den Verlag, ich erzählte ihm nur meine Bekanntschaft mit Ihnen und was ich von Ihnen wußte und las ihm dann Ihren Brief vor - da erbot er sich selbst, Ihr neues Buch zu druk­ken, als ich vom Suchen eines Verlegers sprach und den Dichter Scheffel erwähnte, mit dem ich vorigen Herbst in Heidelberg Bekanntschaft gemacht habe und dem ich da Ihr Schwarzokaspale zu lesen und zu prüfen dringend empfahl; ich dachte mich nun an ihn zu wenden und ihn um seine Verwendung bei seinem Verleger zu bitten. Aber Hirzel lehnte das als unnöthig ab und bot sich wie gesagt selbst zum Verlag an - freilich, wie Sie begreifen werden, mit der Bedingung, daß er erst das fertige Werk sieht und sich die endgültige Entscheidung vorbehält nach eigner Einsicht ins Manuscript.

Wenn es Hirzel nimmt, und ich zweifle kaum daran, wenn Ihre Sonderlinge dieselben Vorzüge zeigen wie Ihr erstes Buch, zumal an einen noch tieferen und bedeutenderen Stoff gewendet, so haben Sie allen Grund sich zu freuen. Denn die Firma S. Hirzel ist eine der angesehensten in ganz Deutschland, die sonst bloß wissenschaftliche Literatur wo möglich ersten Ranges druckt, schöne Literatur nur in streng­ster Auswahl. Gustav Freytags Sachen sind in Hirzels Verlag. Haben Sie unter den vielen Ihnen theuren Schriftstellern in Leipzig, die Sie zu grüßen bitten, Freytag mit gemeint? Ich bin selbst mit ihm gut bekannt, ja befreundet, und werde ihn nächster Tage examiniren, ob er Ihr Schwarzokaspale kennt oder nicht; sein Urtheil ist ein entschiedenes, aber durchaus menschenfreundlich, und ich bin neugierig darauf. Auch Hr. Dr. Hirzel (er ist kürzlich von unserer philosoph. Facultät zum Dr. phil. gemacht worden für seine Verdienste um die Goetheliteratur) kannte Ihr Buch noch nicht, ich habe es ihm nun gegeben, und er hat es zuerst seiner Frau ge­geben, die ganz dazu geschaffen ist, die eigenthümlichen Vorzüge Ihrer Dichtung zu empfinden und zu würdigen, eine einfach sinnige Natur, obwol eine geborene Berlinerin - nun ist sie gerade jetzt Patientin in Folge eines Armbruches, aber gerade da ist man offener als sonst für das einfach Ächte wie es Ihr Schwarzokaspale bietet, weil in jeder Krankheit die Seele wieder in sich selbst einkehrt. Was übrigens Hirzels an Ihrem Buche auch ansprechen wird, das ist das Aleman­nische darin, die Anklänge an die Schweiz, weil Hr. Hirzel selbst Schweizer ist, aus Zürich.

Auch mir war an Ihrem Buche besonders anziehend, ja hoch erfreulich die alemannisch alterthümliche Luft die darin weht, Ihr ganzes Ländchen ist für uns deutsche Alterthumsfreunde eine Fundgrube zur besseren Erkenntniß unserer Vorzeit, das hab [ich] in den paar Tagen deutlich empfunden, die ich dort zugebracht habe und die ich zu den angenehmsten rechnen muß die ich je verlebt habe. Ich empfand dort als Deutscher eine tiefinnere Befriedigung, wie selten, fand die­selbe Befriedigung in Ihrem Buche wieder, nur noch, vertieft und geklärt, und so ist mirs doppelt angenehm, mit Ihnen als dem rechten Ausleger vom Werthe Ihrer Heimat in nähere Beziehung zu treten - vielleicht verstehen Sie nun meine oben erwähnte Freude an Ihrem Briefe schon besser.

Aber noch ein Punkt ist, den ich Ihnen gleich klar machen kann. Was Sie von der Stellung des Bauernstandes der Bil­dung gegenüber sagen, ja das ist eine brennende Frage für die Entwickelung unserer Zukunft, und sie liegt mir nahe am Herzen; der große Riß zwischen Studirt und Unstudirt, zwi­schen Gebildet und Ungebildet muß bis auf einen gewissen Grad aufgehoben werden (wie er es in gewissem Sinne in Amerika schon ist); wir die Studirten brauchen Sie, die Leute aus dem Volke, zur Erneuerung unseres Seelenblutes, und zur nationalen Wiedergeburt, das ist ein Grundgedanke mei­nes ganzen Denkens und Strebens, und mit einem Bauer wie Sie sind befreundet zu werden, macht mir die Berührung mit Ihnen dreifach lieb, zumal wo es sich wie hier darum handelt, das lange entfremdete Süddeutschland, das wir alle so lieb haben, für das Deuschland der Zukunft voll und ganz wiederzugewinnen.

Aber ich verlaufe mich zu weit ins Blaue. Sie haben sich krank gearbeitet? um Gottes Willen thun Sie das nicht wie­der, und was das Nachholen für Ihr Wissen betrifft, das über­eilen Sie um Gottes Willen nicht, thun Sies wo möglich nie so, daß Sie sich davon angestrengt fühlen, daß darüber die innere Stimme Ihrer Naturfrische zu schweigen anfängt. Ich möchte schon über Ihre Lectüre genauer unterrichtet sein, man begreift nicht wie Sies unter Ihren Verhältnissen zu die­ser Bildung gebracht haben.

Doch genug für heute, grüßen Sie mir doch die Wirthsleute in der Au, wenn sie sich meiner erinnern; was macht denn unsre Sängerin von damals, Frl. Korber aus Feldkirch? Nun,  liebes tapfres Bregenzerwälder  Bäuerlein,  ich  drücke Ihnen im Geiste die Hand mit aller Hochachtung

Dr. R. Hildebrand.

Meine Adr. ist: Leipzig, Windmühlenstr. Nr. 29.

Keine