VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
269
17. Dezember 1866

Abends 7 Uhr

Mein lieber Freund aus dem Herrenstüble in der Au,

Jetzt komm ich denn nun officiell und amtlich und in aller Form mit Hirzeln an der Hand - endlich.! Gott Lob und Dank. Vor einer Stunde lief der Brief bei mir ein, und da ich just mit dem morgenden Pensum für den Setzer fertig bin, muß ich doch vor dem Essen noch gleich an Sie schrei­ben, wenn der Frau die Kartoffeln nicht zu hart werden. Das Angebot Hirzels ist so, wie ich mirs dunkel vorstellte; er sprach zwar anfangs von 300 Gulden und meinte wahrschein­lich rheinische, gieng aber später freiwillig auf 200 Thaler über, als ich nach den Gulden fragte, ob rheinische, ob öst­reichische. Er setzte übrigens das erste Mal hinzu, ich. möchte Ihnen nur andeuten, falls das Buch etwa einschlüge (das ist der Geschäftsausdruck), wollte er gern nachzahlen, und ich kann Ihnen da nur hinzufügen, daß er in dem Punkte durch­aus nobel ist, wie man das nennt. Von einer etwaigen zwei­ten Auflage zu reden hab ich versäumt, ich kanns wol gele­gentlich nachholen; aber auch ohne Contract können Sie ganz unbesorgt sein, daß Sie irgendwie zu kurz kämen. Aber wenn eine 2. Auflage wird, dann müssen Sie mir für den Fall jetzt schon versprechen, daß Sie etwa 25 Thaler davon zu­rücklegen zu einem Besuch in Leipzig. Übrigens ist jetzt mein entschiedener Gedanke, nächsten Sommer zu Ihnen zu kom­men, ich freue mich lebhaft darauf und möchte wo möglich 14 Tage unter Ihren Bauern leben, um einmal das Bücher­wesen gründlich los zu sein und aus der Volksquelle zu trin­ken, was mir immer die tiefste Erholung ist: Weihnachten ist ja bald da, und über das hinweg gehts wieder bergab zum schönen Sommer. Anders als zwischen Mitte Juli und Mitte August kann ich freilich nicht, ich weiß nicht ob Ihnen das paßt; Sie tranken ja damals aber auch ruhig Ihren Morgen­schoppen in Au, den Sie mit auf unsern schwelgerisch besetz- ten Tisch hereinbrachten - denken Sie nicht daß ich immer oder auch nur oft so lebe. Aber es war eine schöne Stunde oder Stundentraube die ich da genossen habe, eine der an­genehmsten in meinem Leben. Vielleicht sind wir Ihnen da ein wenig übermüthig vorgekommen, daß wir fürchten müs­sen in einer Geschichte von Ihnen mit aufzutreten als Rei­sende wie sie nicht sein sollen? Wußte ich doch nicht und konnte doch nicht ahnen, daß in dem bescheidnen oder gar demüthigen Bäuerlein sich uns ein solcher scharfsehender Protokollant gegenüber setzte.

Mein Geschwätz ist Ihnen wol zugleich Antwort auf Ihr Be­denken wegen meiner letzten Äußerung; wie kann ich das so gemeint haben! Der Verkehr mit Ihnen ist mir eine so frische tiefe Freude, daß ich ihn gar nicht mehr missen möchte, im Gegentheil, wir kommen nun wol in die Periode des vertraulichen Schwatzens im Briefe, und ich hoffe das auch von Ihnen. Zeit zum Briefschreiben hab ich freilich außerordentlich wenig, gar mancher mir liebe Briefverkehr in ganz Deutschland herum kann von mir nur spärlich ge­pflegt werden; aber wenn ich auch einmal nicht geantwortet habe, und Sie wollen ein Stündchen mit mir plaudern, dann bitte ich Sie immer zu schreiben. Gerade die Verschiedenheit unsrer Stellung und unsres Bildungsweges reizt mich so im Verkehr mit Ihnen, und ich hoffe auch noch wichtigere Fra­gen mit Ihnen zu verhandeln als bis jetzt geschah, das frei­lich am liebsten mündlich.

Nun möchten Sie mir aber auch bald bestimmt bezeichnen, an welchen Capiteln Sie noch ändern wollen, daß ichs Ihnen schicken kann. Hirzel hat schon eine Druckprobe angeordnet, ich kam neulich dazu als er mit dem Drucker verhandelte, derselbe bei dem er Freytags Sachen drucken läßt. Eins übrigens fällt mir da noch als Wunsch ein; ich dacbte immer, es würde wie im Schwarzokaspale eine humoristische Person mit vorkommen, und mir scheint es, als hätte sich der Bruder der Mariann dazu geeignet; haben Sie das mit Willen unterlassen? Neben seiner Faulheit und Verbitterung und Selbstmisachtung hätte sich etwas Galgenhumor recht gut ausgenommen.

Aber ich muß ans Ende denken. Was war das für ein Stück das Sie in Lindau als Ihren ersten Theatergenuß gesehen haben? ich möchte es gern wissen.

Auch sprachlich werd ich noch manches fragen müssen, denn ganz ohne einige erklärende Bemerkungen wirds nicht ab­gehen, obwol Hirzel nicht gern dran will. Das Verschicken der Correcturen an Sie hat er nicht erwähnt, es scheint ihm auch nicht ein zu wollen, aber wünschen Sies bestimmt, so muß es möglich gemacht werden. Eine große Erleichterung dabei wäre es, wenn Sie dabei das Manuscript nicht brauch­ten.

Nun denn, da meine Frau ruft, weil die Kartoffeln fertig sind und hart werden, glückliche Weihnachten Ihnen mit Ihrer lieben Frau und Mutter und Kindern (was macht denn Her­mannele? wie heißt er im Hause?) und eine ganze glückliche Zukunft, das wünscht Ihnen herzlich

Ihr R. Hildebrand.

Mein College Heyne, von dem ich Ihnen wol schon schrieb, läßt Sie warnen, sich ja mit der Viehversicherung vorzusehn, weil da leicht viel Geld verloren gienge.

Keine