FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
270
18. Dezember 1866

Lieber Freund!

Die letzte Sendung hab ich erhalten und Deinen Brief mit Vergnügen gelesen. Ich glaube, ihn auch dem Feurstein geben zu sollen, zu dem ich morgen gehen will, um selbst mit ihm zu reden, da unsere Post einem wirklichen Brief­und Ideenwechsel nicht dient, indem man selten noch genau weiß, was man sagte, bis eine Antwort zurückkommt. Eine mündliche Unterredung wird nötig, wenn es so schnell vor­wärts soll, und es soll!! Das Resultat der Unterredung werde ich Dir morgen mitteilen und erlaube mir heute, ein Klaglied über unsere Post anzustimmen: Wie sollte man hier die Her­ausgabe einer Zeitung leiten, das Neueste im Auszug bringen, neue Leiter gegen noch nicht veraltete schreiben? Ich hab alles erwogen und bin zu folgenden Entschlüssen gekommen: Das Blatt müßte ich in Bezau zusammenstellen, bis die Post etwas besser. Es sollte daher ein Wochenblatt, zwei Bogen in Form etwa der Feldkircher Zeitung mit einem Stempel, werden und den Namen Volksstimme*) haben. Wenn Feur­stein einmal eingeschaffen ist und wir mehr Kräfte gewonnen haben, werde ich von hier aus das meiste tun können. Anfangs aber muß ich doch dabei sein, wenn ich nun einmal dabei sein muß. Verstehe mich recht! - Ich hätt es gern gesehen, wenn Kunz oder ein anderer Geübter hätte ge­wonnen werden können, denn ich fürchte, daß ich eine geregelte Schulbildung oder wie man das Ding nennen soll, immer schmerzlich vermissen werde, was ich nicht nur aus Bequemlichkeit und Ehrgeiz, sondern besonders der Sache wegen recht von Herzen bedauern würde. Doch davon wer­den wir noch reden. Was ich kann, werde ich gern tun, und manches noch läßt sich lernen. Übung macht die Kunst, und wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand. Mein Gespräch soll mich dem Publikum vorstellen. Ob auch bei uns die Zünfte aufgehoben seien, werde ich bald erfahren. Siegen tut im deutschen Dichterhain, „wem Gesang gegeben" (Uhland), Zeitungen schreiben nach Lassalle verkommene Leute. Ob wir ihn wohl ganz bekehren würden? Man lernt viel von diesem Mann, wenn man auch fertig zu sein glaubte, aber Carey hat nicht von ihm gelernt, seine Schriften erschienen in Philadelphia in den Jahren 35-39 bis 58 und 59. Nur meine Ausgabe, nicht mein Werk ist neu. Die Gegner Lassalles machten es dem „Ehrgeizigen" zum Vor­wurf, daß er in keinen Schriften seine reiche Quelle nenne;

Tiroler Stimme Volksblatt X [= kontaminiert]; unseres darf keinen lokalen Titel haben.

doch sind sich die beiden nicht so ähnlich, als es diesen Schwätzern vorgekommen sein muß. Das Wort Dienst darf ich in einem wörtlichen Zitat nicht vermeiden, mit Deinen übrigen Bemerkungen bin ich einverstanden und danke Dir. John Stuart Mills Idee von der Gleichberechtigung des Weibes hab ich auch außer der „männlichen Vernunft" nicht als unsere erscheinen lassen, doch das ziehende Weib ist mir beim zweiten Lesen vorgekommen wie Dir. - Was ich von Handel und Verkehr sage, gilt nur für jetzt. Die Stelle auf Bogen 6 ist denn aber doch nicht gar so unklar. Der Lehrer beweist, daß er keine Revolution wünsche, und sagt dabei u. a.: Auch könnte man nicht wünschen, daß die untern Klas­sen sich leiden sollten, bis sie zum Äußersten gezwungen würden. Doch da der Satz nicht deutlich genug zu sein scheint, werde ich ihn ändern oder streichen. Gestern hab ich hier in der Ausschußsitzung einen Sieg errungen. Ich bin jetzt der Majorität so ziemlich sicher. Pius ist noch auf Krumbach verschneit; doch diese Tage wird der Weg gemacht und er wird sicher die Gelegenheit benützen und sich vor Weih­nachten noch herausmachen. Am 7. Jänner ist unser Genos­senschaftsfest beim Adlerwirt, zu dem ich auch Dich einladen möchte. Das Wible, welches schon mehrere Jahre durch Mut­tersorgen an der Teilnahme ausgeschlossen war, hat sich schon mit mir darauf gefreut, wieder einmal zu tanzen und zu springen mit den Schoppernauern wie ledig und los. Lebe wohl, morgen vielleicht mehr.

[Felder]

Keine