VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
428
10. November 1867

Lieber Freund,

Werthester Herr Wahlcommissär,

Der Sonntag Nachmittag ist da, meine Briefschreibezeit, und Du kommst zuerst an die Reihe. Zunächst bin ich Dir doch meinen Glückwunsch schuldig zu Deinem wichtigen poli­tischen Amte, zu dem ichs hier nie bringen werde. Dein Wahlbericht hat mich lebhaft interessirt, er leidet nur an der Kleinigkeit, daß er über den Erfolg oder Ausfall der Wahl sich in romantischer Unklarheit hält - sind denn die alten Vorsteher nicht wieder gewählt worden? Auch die Angabe über des Uhrmachers bevorstehende Heirat beschäftigt mich angenehm, aber ebenso die Frage die dran hängt: Hat er denn gebeichtet? oder hat der Pfarrer nachgegeben, um ihn vor dem Protestantismus zu retten? Sprich doch Deinem Freunde meinen Glückwunsch aus, ich habe noch oft und gern an ihn gedacht und thue es noch. Wer ist seine Aus­erwählte? Das wird eine interessante Abdankungsrede wer­den, wobei man den Pfarrer selbst, nicht nur seine Ohren wegwünschen möchte! Dieß Zuhalten der Ohren kann ich mir hier bei einem Geistlichen nicht einmal denken, so sehr widerspricht es unserm Begriff von der Würde eines Geist­lichen, ja es würde bei uns nur eine drollige, komische Hand­lung sein, über die man nur lachen könnte, oder - eine Fle­gelei, die den Thäter für die Gesellschaft unmöglich machen würde.

Aber ehe ich weiter schwatze, doch etwas Geschäftliches. Kürzlich wurde ich überrascht und erschreckt durch einen Zettel von Quellmalz, dem Besitzer des Märkerschen Lese­instituts, der mich benachrichtigte, daß er gezwungen wäre das Geschäft mit Dir zu quittiren, wie er sich ausdrückte, weil die Journale von Dir nicht zurückzuerlangen wären. Ich gieng Tags darauf zu ihm (es ist 14 Tage her), zu welchem Zwecke kannst Du Dir denken. Da fand sich denn, daß der Entschluß nicht launenhafte Umwandelung einer vorher freundlichen Gesinnung war, sondern eine Art geschäftliche Nothwendigkeit, da gewisse Blätter durch das Ausbleiben nicht weiter geliefert werden können; z. B. auf die hist.-polit. Blätter wartet die hiesige Universitätsbibl., an die sie zuletzt übergehen. Nun hab ich ihm versprochen, Dir diese Sachlage klar zu machen und bitte Dich also hiermit in Quellmalzens Namen, fortan die Blätter in regelmäßigen Zwischenräumen zurück zu schicken, dann kann alles beim Alten bleiben. Mir sollte es leid thun, wenn diese Einrichtung, die mir einst solche Freude gemacht hat, verdrießlich enden sollte; es ist ja Dein eigenes Interesse. Von der Bezahlung hat er wieder nichts erwähnt, ich hab auch nicht gefragt. Daß Stettner Dir keinen Rabatt bewilligt, wie es doch hier die meisten Buchhandlungen thun, ist nicht recht, Du solltest einmal förmlich darum anhalten. Ob eine Besorgung der Bücher von hier aus möglich wäre mit Rabatt, ist mir nicht klar, namentlich da sie doch auf Buchhändlerwege, also wie­der durch Stettner an Dich geschickt werden müßten. Deine Äußerung über den Simplicissimus war mir interessant, besonders aber der gute Döring hat sich sehr darüber ge­freut. Ich habe Deinen Brief am Mittwoch auf der Wartburg am Schlüsse unserer Sitzung vorgelesen, Deine herzliche Äußerung über den Club machte uns große Freude, wir grü­ßen Dich als unser Ehrenmitglied eben so herzlich zurück und denken Deiner fleißig in Liebe und Treue. Wir lesen jetzt Nibelungen, wenn Du doch dabei sein könntest! Aber die Baumsitzung war doch die schönste! Ich habe mir den unsterblichen Baum neulich einmal am Tage betrachtet, mir wars wie im Traum, uns zehn Mann stark da droben im Mondschein zu denken auf dem gar nicht so großen Bäum­chen, würdige Männer und Studenten und Bauern und Dich­ter und Lehrer und ihre Schüler (Köhler mein Schüler noch vor wenig Jahren) bunt durch einander als Nachtvögel! Ich dächte, die Geschichte müßte Deinen Begriff von Stadt und Städtern völlig über den Haufen gestoßen haben! Nur ein Glas Wein fehlte noch zwischen den Zweigen, dann waren die ech­ten Eichendorf[f]schen Taugenichtse fertig. Schreib mir doch genauer, wie der Taugenichts auf Dich wirkt. Denkst Du noch an den Eichendorf[f]abend in der Laube auf der Papiermühle? Deinetwegen hatte ich meinen Liebling aus vergangenen schönen Jahren eingesteckt, um zu sehen wie er auf Dich wirkte. Vielleicht kann ich Dir ihn einmal antiquarisch ver­schaffen. Die Liebeszeichen hab ich halb und erfreue mich daran, werde sie auch wenn sie fertig sind, im Club vorlesen. Es werden an Hirzel 10 Ex. geschickt zur Vertheilung. Aber an den Druckfehlern ist mein Freund zum Theil wirklich sel­ber schuld, ich kenne das!

Dank für den Rüscher, kann ich ihn behalten, oder brauchst Du ihn zurück? Leider ist das Gesicht unklar ausgefallen. Ich zeige ihn fleißig, wenn er nur hören könnte was man dazu sagt. Ich lege einige von Deinen Photogr. bei und will Dir sie so nach und nach schicken. Von den 2 Dutzend sind schon hier welche vergeben, u. a. an Hügel, Flügel, Rendants, und auf der Vogelweide in Kosen neulich an Köhler, Lucae, Kober­stein, denen Du Dich schuldig warst. Vom Kostenpunkte spä­ter. Frau Dr. Groddek läßt Dich grüßen, sie schlug vor, Du könntest ja nächsten Sommer in Kosen bei ihnen zubringen. Doch mein Papier ist alle und meine Zeit auch, also leb wol und grüß mir all die Deinen, und denk bald wieder schrift­lich an Deinen

Hildebrand.

Die Kinder und Frau und Großmutter lassen Dich grüßen, meine Mutter liegt leider immer noch! seit Deinem Fortgang! theilweis mit schrecklichen Schmerzen, und sie verfällt dabei zusehends! Doch hab ich noch Hoffnung, sie liest noch täg­lich fleißig, Gartenlaube, Zeitung, Nümmamüllers.

Keine