FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
430
11. November 1867

Lieber Freund!

Ich beginne heute mit dem Wahlberichte und vermutlich komme ich nicht darüber hinaus, da wir jetzt nur noch in den Wahlen lebten und webten. In Schröcken glänzender Sieg der Neuen und Jochum Wirt ist Vorsteher. Auf Krum­bach kann ich nicht bestimmt sagen, welche Partei siegte, obwohl ich verbürgt mitteilen kann, daß dort Dein Bruder Jakob zu vorsteherlichen Ehren befördert wurde. Nun kom­men wir nach Schoppernau, wo ich schon nicht mehr gar so schnell, ja wo ich heute mit dem Wahlberichte noch gar nicht fertig werde. Die Frommen wollen nämlich die ganze Wahl umstoßen und haben sich bereits an die Statthalterei ge­wendet. Jeder Wälder läßt sich die Sache gern genau erzählen, und ich glaube, daß auch Dir ein genauerer Bericht nicht unwillkommen sei.

Den Wahlvorgang leiteten außer mir und den beiden Vor­stehern zwei Fromme, nämlich der Rößlewirt und der Armen­vater. Beim Abschreiben der Stimmzettel fanden sich Namen ohne beigefügten Charakter, die in der Gemeinde mehrfach vorkommen. Zuerst ließen wir Vermutungen gelten, als es aber immer bunter wurde, konnten wir solche Namen gar nicht mehr gelten lassen. Nun trat der Erath auf, von dem Dir schon mein Nachbar erzählte (wegen seinem Prozeß, der jetzt beendet ist), und Erath sagte: Er könne es beeidigen, wer mit den Namen gemeint sei, denn ihrer mehr als zwanzig hätten sich zusammengetan und verabredet, Männer zu wählen, die zum Pfarrer hielten, keine solchen -. Erath wollte nun die zwanzig oder mehr als Zeugen holen, der Vorsitzende aber betonte die geheime Abstimmung, und die Sache ging nun ihren Gang. Durch das Fallenlassen unbestimmter Namen fielen im dritten Wahlkörper der fromme Rößlewirt und sein halbverrückter Bruder durch, also zwei Männer, die keine Aussicht hatten, von den geistig etwas höher stehenden Wählern des zweiten und ersten Wahlkörpers noch gewählt zu werden.

Das gab den ersten Grund der Protestation, der zweite war, daß auch der 21jährige, vom Vormund aber bevollmächtigte, Josef Natter zur Abgabe des Stimmzettels gelassen wurde. Er stand auf der Wahlliste, ohne daß vorher jemand etwas ein­zuwenden wußte, so lange die Frommen ihrer Sache sicher zu sein glaubten. Und erst noch eine Klage über uns!!!

Die Genossenschaft Hinterberg hatte den Mitbesitzer Kaspar Oberhauser bevollmächtigt, der zwar noch nicht von seinen Geschwistern teilte, den aber viele in den Ausschuß zu wählen wünschten. Er wurde auch wirklich vom ersten Wahlkörper gewählt. Außer diesem ist neu der Bruder des Kronenwirts, Bernhard Moosbrugger. Durchgefallen sind Kaspar Muxel und der Rößlewirt. Meine Partei wäre also jetzt entschieden die stärkere. Aber das konnte man so nicht gelten lassen, und am vorletzten Samstag lief der Vorstehung ein der Statt­halterei „unterzubreitender" Protest ein, derselbe ist unklar, unwahr und leidenschaftlich abgefaßt, so daß wir ihn nur mit einem genaueren Berichte abgehen lassen zu dürfen meinten. Ich führe nur einige Stellen des Protestes an, die das Vorgehen der Leute zeichnen und wohl auch auf den Schreiber resp. Verfasser schließen lassen: „Die Unterzeich­neten sehen sich in die unangenehme Notwendigkeit ver­setzt, Protest einzulegen, weil die Stimmzettel, welche die Namen N N N N enthielten, wegen Undeutlichkeit nicht an­genommen worden sind.“ Und so eine Unwahrheit nach der ändern. Ist das nicht interessant? Und auch den Oberhauser wollen sie nicht gelten lassen, und Natter soll gar nicht stimm­fähig sein. Unterzeichnet sind sechs Männer, die der Sache einen mehr als lächerlichen Anstrich geben, denn die Leiter haben sich gehütet, ihren Namen zu nennen. Kurz, Du kennst die sechs vom Schnapstisch aus den Sonderlingen, das Weberle und den Hansmichel u.s.w.

Diese Geschichte hat das Gute, daß nun hier die Parteien im offenen Kampfe gegenüberstehen. Es ist oft recht kurzweilig, wenn man sich's nicht allzu sehr zu Herzen nimmt. Im Früh­ling hätte ich dieses Treiben nicht mehr ausgehalten, jetzt macht's mir manchen Spaß, und meine Freunde sagen, ich habe nie so munter ausgesehen wie seit Leipzig. Ich arbeite jetzt fast nur noch im Stüble, seit ich einen Knecht anstellte, dem ich leichter Kost und Lohn verdienen, als seine Arbeiten verrichten zu können meine.

So wächst denn das Manuskript des neuen Romans allmäh­lich zu einem hübschen Stoß. Ich hoffe, daß Dir und manchem wackern Freund diese Arbeit Freude machen werde. Diesen Winter kann sie fertig werden, wenn ich auch nebenbei Kleineres vollende, wie etwa die Liebeszeichen, die nun erschienen sind. Hast Du noch nichts darüber gehört? Mich ärgerten die vielen Druckfehler, die aber zum Glück so sinn­los sind, daß jeder sie gleich bemerken muß. Ich werde Dir ein Exemplar zuschicken, sobald ich mehrere besitze. Daß ich die Tannberger Hochzeit von Luger Schmids Babel in die Feldkircherin gab, wirst Du in Ordnung finden. Ich erhielt gleich darauf von Sander einen netten Brief, in dem er mir u. a. auch die günstige Aufnahme meines Grenz­boten-Artikels in Innsbruck meldete. A[dolf] Pichler soll sich sehr günstig darüber ausgesprochen haben. Könntest Du ihn mir nicht wieder schicken?

In Au haben die Sonnseitler nicht einen Mann in den Aus­schuß gebracht. Dein Bruder, der Lehrer, wie er sich auch wehrte, wurde zum Vorsteher gewählt. Leider hielt er die Sache für zu wichtig und sich zu schwach. Es kam über ihn, daß er sich beinahe hintersinnte und ihm gestern, wo seine Krankheit sich deutlich zu zeigen begann, vom Ausschuß alles abgenommen wurde. Es wird nun neu gewählt werden, und ich hoffe, Dir bald die Genesung des Bruders melden zu können. Schon nachmittags (ich war in Au und wollte ihn besuchen, was mir aber ausgeredet wurde) soll er ziemlich ruhig gewesen sein, und man hat allen Grund, das Beste zu hoffen.

Daß aber die Sache ihn so aufregen konnte, ist mir erklärlich, und ich sorge nicht, daß ihm etwas zurückbleiben werde. Sei auch Du ohne Sorgen und denke Dir alles in Ordnung, wenn ich auch nicht gleich mit dem nächsten Posttag (Sams­tag) wieder schreiben sollte.

Ich hoffe, recht bald ein Schreiben von Dir zu erhalten. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

F. M. Felder

Keine