VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
459
13. Januar 1868

Liebster Freund,

Ich schreibe Dir schon heute, im Gedränge der Arbeit und kurz wegen eines geschäftlichen Punktes. Du willst wegen der einen verlorenen Nummer Ausland das ganze Quartal bestellen! Das thu doch ja nicht, das ist ganz überflüssig, wir können die einzelne Nummer hier viel bequemer beschaffen, sobald wir die Nummer wissen, schreib mir sie bald. Und auch wenn Du das Quartal schon bestellt haben solltest, so schreib rasch nach Lindau, um es rückgängig zu machen, Stettner kann die Sache auf jeden Fall rückgängig machen.

Übrigens ist der Empfänger des Auslands zufällig zugleich ein Freund von Dir, Lehrer Thomas, den ich einmal auf der Grimmaischen Straße herbeiholte in den Schatten, um Euch vorzustellen, erinnerst Du Dich noch? Thieme stand eben bei uns. Also mach Dir darum keinen Kummer. Weiter fehlt wol nichts? Nun wird ja wol die Sache in Ordnung kommen. Dank für Deine herzlichen Äußerungen in Betreff meiner Mut­ter. Was das war, was ich Dir einmal aus meiner Jugend er­zählt habe, weiß ich nicht mehr, auch nicht mehr wo, ich bin so vergeßlich in solchen Dingen. Aber der Freund, des­sen Begräbniß Du berührst, war wol vielmehr die Freundin in den Grenzboten? Was Du vom Schutzengel schreibst, ver­steh ich vollkommen und ist auch mehr als dichterisches Bild. Doch wünscht ich mich auch oft mit Dir zusammen und freue mich, daß Du auch manchmal mich bei Dir wünschest. Ja Du mußt diesen Sommer wieder nach Leipzig kommen, das ist mir ganz klar! Zu meiner Reise zu Euch ist für dieß Jahr so gut wie keine Aussicht, ich habe vom Wörterbuch in vorigem Jahre wieder ein starkes Deficit in der Rechnung, gerade wie Österreich.

Glück zu zum Sturz des Concordats, für Euch geht offenbar eine ganz neue Zeit an, Ihr habt nun die freieste Staatsform in ganz Europa! Das muß zum Guten führen, so oder so. Doch ich muß ans Werk. Ich freue mich daß Ihr dort so warm an mich denkt, grüße mir den Freundeskreis und Dein braves Wible. Hat etwa der Uhrenmacher Photographien von seiner Frau? und von sich? Die möcht ich gern haben, sag ihm das mit meinem Gruße. Du schreibst ja gar nichts von Deinem Leipziger Bilde, gefällt es Dir nicht?

Herzlich grüßend Dein R. Hildebrand.

Wie ist es mit der täglichen Post?

Beiliegendes Lied von Flügels Hand liegt schon lange bei mir,

ich habs immer vergessen.

 

Keine