KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
460
18. Januar 1868

Lieber Freund!

Der Vorgang vom letzten Sonntag scheint Dich nach den mir zugeschickten Notizen stärker affiziert zu haben, als er an sich es bedingt haben dürfte. Ein Meister im Kampf darf seine Kaltblütigkeit nie verlieren. Nach Deinen Mitteilungen erinnerte mich der Niederauer Streit an ein Bild, das einst in einem illustrierten Blatt war: Es waren zwei Bauern dar­gestellt, die sich gegenseitig Faustschläge zum Kopf gaben, und darunter stunden die Worte: „Wie sich zwei das Evan­gelium auslegen." Also aus diesem Kampf möchte ich mir vorläufig nicht gar zu viel machen und auf Beschwichtigung der Leidenschaften hinarbeiten. Wegen der geringen Einzel­heiten darf man das große Ganze nicht aus dem Auge ver­lieren. Ich glaube, Dir einige Anhalte zur Beurteilung Deiner Situation vorlegen zu sollen. Mögest Du hienach ruhig über­legen und dann angemessen handeln:

Im Juli v. Js. waren ich und Mayer bereit, loszuschlagen und aktiv in den Kampf einzutreten. Aus beiliegender „Mosaik", die ich im Begriffe war zu veröffentlichen, magst Du ersehen, wie ich auf geistliche und weltliche Behörden und überhaupt auf unsere Gegner eine Pression üben wollte. Gerade als ich die Arbeit zum Druck befördern wollte, kam ein Schreiben von Dir, das Halt gebot, weil Du Ruhe wünschtest. Ich sah, daß Du nicht fest genug warst zum ernsthaften Kampf, legte die Arbeit in die Schublade und schrieb gleich abmahnend an Mayer. Von unserer Seite geschah dann gar nichts, weshalb die Gegner freies Feld behielten. Ihre Intention ging sofort dahin, Ruhe und Schweigen herzustellen und über uns zur Tagesordnung zu schreiten. Ich weiß aus ganz sicherer Quelle, daß die Staatsanwaltschaft in Feldkirch im Sommer ein Prä­sidialschreiben an die Bezirksrichter Vorarlbergs erließ, worin sie mitteilte, daß die durch Dich und Konsorten hervor­gerufene Aufregung im Bregenzerwald durch Vermittlung der Geistlichkeit gedämmt sei und anfragte, ob unsere /:meine:/ Broschüren in der Bevölkerung Anklang gefunden haben. Das bewußte Schreiben des prononciert ultramontanen Statt­halters an mich und die Haltung des Bezirksamtes Bezau steht im Zusammenhang mit der Politik der Gegner. Wie Berchtold und mit ihm sicher die Mehrheit der Geistlichen im Bregenzerwald Deine Sache und die Deiner Anhänger ansieht, kannst Du aus dem anliegenden Brief ersehen. Die Manharter sind die Sekte, die aus dem Unterinntal auswandern mußte. Du siehst, die niedere Geistlichkeit und die weltlichen Be­hörden sind bis nun gegen uns gewesen, und wie es scheint, halten sie uns bereits für überwunden. Mein Wunsch wäre es gewesen, die Sache vor geistlichen und weltlichen Be­hörden zur Entscheidung zu treiben, wie sie es verdient hätte, das kannst Du aus meiner Mosaik und den erhaltenen Briefen ersehen. Dein Rückfall in die Kleinmütigkeit hat es bis nun verhindert, und ich sehe bei dem jetzigen Stand der Sache nicht ein, wie wir den Kampf ehrenvoll und groß im Lande wieder aufnehmen und durchführen können. Allerdings kä­men uns die neuen Grundgesetze und die Wendung der Dinge in Österreich zugute, aber das war vorauszusehen. Daß es so oder anders kommen mußte, und darin wäre eben das Verdienst gelegen gewesen, in ungünstigerer Zeit und eine bessere hoffend und mitanbahnend tapfer gekämpft zu haben. Jetzt haben die neuen Gesetze die Gegner geschlagen, nicht wir. Es wäre im höchsten Grad interessant, ja imponie­rend gewesen, wenn uns sogar die Behörden niedergeurteilt hätten, deren Urteile nun ihre Schande wären. Wie ganz anders stünden wir jetzt da! Jetzt geht der Statthalter Toggen­burg, jetzt läßt der Staatsanwalt in Feldkirch gegen Geistliche einschreiten wie z. B. gegen unsern Kapuzinerprediger, der sich nun zu verantworten haben wird. Jetzt weht eben ein anderer Wind. Meine Sache aber ist es nicht, gerade mit dem Wind zu gehen und allenfalls deshalb nun auf unsere Gegner loszuschlagen. - Jetzt tritt mehr der gesellschaftliche Kampf in den Vordergrund. - Ich begreife nicht, wie Du sogar jetzt noch die Aufregung Deines Gartenlaubeartikels, den ich Dir rücksandte, fürchten kannst. Mut scheint es nicht zu sein, was Du bei dem Leipziger Literatentum geholt hast. - In­dessen nichts für ungut. Ich pfeife halt, wie mir der Schnabel gewachsen   ist.   Ich  wäre  sehr froh,  wenn   ich   über diese Kampfgeschichte anderer Meinung sein könnte. ­Wie geht es dem Pius, ich habe ihm wieder geschrieben, da er auch mir schrieb. Die Liebeszeichen gab ich dem Vonbun auf seinen Wunsch zum  Lesen. Vielleicht berührt er in  seiner Kritik der Sonderlinge, die bald nun erscheinen dürfte, auch diese. Baldiges Schreiben erwartend mit Gruß und Handschlag Dein Freund

Kaspar Moosbrugger Berchtolds Brief erbitte ich zurück.

Keine