VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
465
23. Januar 1868

Mein lieber guter Franzmichel,

Wie freute ich mich, als ich, ohnehin verstimmt und leidend, heute Mittag Deinen dicken Brief vorfand, und welcher Inhalt war darin. Ich konnte kaum essen vor zitternder Unruhe und Bestürzung, jetzt such ich mich bei der Arbeit zu beruhigen, aber ich denke fortwährend an Dich dabei und an den armen Uhrmacher, dessen Bild vor mir liegt, zumal ich ge­rade mit der schweizerischen, also Eurer Mundart zu thun habe. Ich muß Dir wenigstens ein Wort der Theilnahme schreiben, obwol ich nicht sicher weiß ob der Brief noch vor demSonntagzu Dir kommt; aber ich werde dann ruhiger arbei­ten können, und wenn Hugo aus der Schule kommt, soll er ihn gleich in den Bahnhofsbriefkasten tragen, daß er heute noch fortkommt. So ist also der Kampf zum blutigen Aus­bruch gekommen, ein Vorspiel dessen was Euch in der neuen Ära bevorsteht, und der tapfere Felder ist der erste Held und Märtyrer des Kampfes mit dem Körper, der die Seelen befreien soll. Drücke dem Tapferen meine, unsere wärmste Theilnahme aus, und was Du für ihn thun kannst, das ist: flöße ihm von Deinem höheren Standpunkte aus so viel Ruhe und Geduld ein, daß er das Heilen seiner Wunde nicht durch Grollen und Zorn und Haß erschwert; das mußt Du können und er wird in der Krankenstimmung Dich hören, Du brauchst ihn nur auf die Höhe der geschichtlichen Be­deutung dieser Vorgänge zu heben, auf der Du ja stehst. Was Du mir von seiner Frau schreibst, ist mir höchst ange­nehm, der umgekehrte Fall wäre furchtbar. Übrigens muß ja der Kampf ein wahrer Heldenkampf gewesen sein auf Felders Seite, ich kann mirs nicht vorstellen, wie er drei Mann in die Flucht geschlagen hat. Besser wärs freilich ge­wesen, er hätte das Wort Lügner in Gedanken behalten und das Weitere auch. Er wird ja aus dem Vorfall auch lernen. So weit ich sonst die Geschichten nach Deinem Bericht be­urtheilen kann, hättest Du das Amt als Wahlcommissar jeden­falls ablehnen sollen als Betheiligter, und ein furchtbarer Fehler ists von der Statthalterei, in dieser Aufregung die Wahlen anzuordnen. Das ist so dumm, daß es Zeit gewesen wäre, Einspruch dagegen zu thun und Aufschub zu verlan­gen; hat doch der herrliche Rößlewirth schon einer bloßen Hochzeit wegen Sorge gehabt! Da es aber einmal so ist, scheint mir das Nöthigste für Deine Partei das zu sein, daß Ihr Euch heilig gelobt, nur mit Ruhe und Gelassenheit zu ver­fahren, alle Heftigkeit in Wort und That den Gegnern zu überlassen, also den Fanatismus durch überlegene Höhe und Ruhe des Geistes zu entwaffnen und - womöglich eine Bresche hinein zu machen zur Anbahnung einer Verständi­gung. Wenn Ihr dazu kommen könntet, durch Deine Über­redung, daß Ihr in einer Versammlung das heilig gelobet, so würde Euch das ein Sicherheitsgefühl geben, das alles noch in gute Bahnen lenken könnte. Was soll das mit Österreich werden, wenn überall die neue Zeit so beginnen soll? Ich wollte ich wäre dort, um mit zum Frieden zu reden. Doch ich muß an die Arbeit. Ich werde am Sonntag in Ge­danken bei Dir sein, da ich nichts weiter thun kann. Heute Abend werde ich einem zusammengerafften Theil des Clubs Deinen Brief vortragen und mir selbst da mit Trost holen, werde auch hier sonst die Sache weiter verbreiten. Gott schütze Dich und die Deinen.

Deine Liebeszeichen lese ich jetzt im Club vor, wir erfreuen und erwärmen uns daran, ein paar neue Mitglieder die von Dir noch nichts gelesen haben, sind wahrhaft entzückt. Ein paar Erinnerungen dazu später.

Grüß mir Deine gute Frau und Mutter, und Deine Freunde, und habt guten Muth, Ihr fechtet ja für eine bessere Zeit, man kann sagen für das wahre Gottesreich auf Erden. Dich aber, Herzensfreund, schütze der Himmel in den bevor­stehenden Prüfungen.

Dein R. Hildebrand.

Keine