FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
575
18. August 1868

Lieber Freund!

Über die letzte Mitteilung Deiner „verbesserten Belassung" in Bludenz kann ich nicht unterlassen, meine Freude und meinen Glückswunsch auszusprechen. Freilich, meine Furcht vor einer Versetzung nach Tirol war grundlos. Man hält uns beide - laut geheimem Landtagswahlbericht - noch für viel liberaler als die liberalsten Liberalen. Jochum in Schröcken, den es ärgerte, daß man hier bis zuletzt nichts von dem auf­gestellten Kandidaten hörte, wollte durchaus einen von uns beiden im Landtag haben. Zuerst redete er mit den ändern von mir, aber Pfarrer Sieber machte den Kasinomännchen die Hölle heiß und plauderte von meinem Freimaurertum als ausgemachter Sache.

Für Dich wäre Tannberg und mit Ausnahme des Galli Moos­brugger so ziemlich der ganze Hinterwald gewesen. Feur­stein war für Fetz, und Jochum dachte mit Albrecht an meinen Zuspruch, ja keine Zersplitterung herbei zu führen. Auf dem Heimgang von der Wahl wurden meine Freunde wie die von Gott geschlagenen Sünder behandelt. Ich ging ihnen bis Au entgegen und traf sie in einer Erregung, welche mich die Leidenschaftlichkeit des Wahlkampfes ahnen ließ. Birnbaumer gebärdet sich als Erzbrixner, und ruhige Köpfe beginnen, sich ernstlich zu schütteln. Seine frommen Zuhörer sehen einen Religionskrieg vor der Tür. Er predigt immer nur vom Glau­ben. Vorletzten Sonntag war ich mit im Kasino und sah mir die Sache an. Es nimmt sich pudelnärrisch aus, wie man die Figuren am Faden sieht, da kommt nie Seele hinein! Ich kam vor der Sitzung hin, deren heutiger Gegenstand die Wahl des Verwaltungsrates sein sollte. Man sagte mir überall, die Wahl des Dökterle zum Präsidenten sei eine ausgemachte Sache. Nun aber, als sie hübsch beisammen waren und das festlich geschmückte Dokterle in ihrer warmen Mitte, da trat Pfarrer Birnbaumer, der die Woche in Bregenz war, aus der ehrwürdigen Reihe hervor und sagte: Er habe anfangs keine Stelle anzunehmen gedacht, aber in Erwägung, daß er der guten, aber noch jungen Sache mehr nützen könne als ein anderer, nehme er es nun mit Freude an, wenn man ihn wähle. Den Erfolg kannst Du Dir denken. Er bekam 49 von 55 Stimmen. Seitdem ist das Dokterle schlecht auf den Pfarrer und das Kasino zu sprechen. Wenn's so fort geht, steht das Männchen bald allein.

Andere Anträge brachte Birnbaumer folgendermaßen zur Abstimmung: Wer gegen meinen Antrag ist, soll aufstehen. Von Schoppernau sind Herr Rüscher, Rößlewirt und Greber die einzigen Mitglieder. Nächsten Sonntag ist das Gründungs­fest, zu welchem Gäste aus Nenzing, Feldkirch, Bregenz und Egg und großartige Feier [?] angekündigt wurde. Letzte Woche habe ich geheut, ward aber auch da fast täglich von Reisenden besucht. Besonders wichtig ist mir die Be­kanntschaft des Dichters Scherer, von dem ich Dir einmal mehr erzähle. Wir haben Interessantes verhandelt. Vorgestern besuchte mich eine Gesellschaft aus Dornbirn, die ich mit dem Wible bis Schrecken begleitete. Das Wirts­haus war so voll, daß man für unsere Nachtruhe nicht einmal mehr Heu, geschweige denn ein Zimmer hatte. Wir über­nachteten beim „Präsident". Allgemein beklagt wurde die Haltung der Feldkircher Zeitung und Ganahls Einfluß auf das Blatt. Man redet von einer Rückberufung des Kunz, der sich nicht glänzend steht. Einstweilen wird ein gewisser unab­hängiger Heim Redakteur. Mich haben die Herren dringend um Beiträge ersucht.

Eben erhalte ich „Enthüllungen über Lassalles Tod", eine Schrift von Bernhard Becker, die nicht uninteressant zu wer­den verspricht.

Beiliegendes Schreiben von meinem Übersetzer kannst Du auch meinen Gönnern in Bludenz mitteilen, doch bitte ich Dich, es mir recht bald wieder zu schicken.

Unsere Gassen sind weiß und grau von Vergnügungsreisen­den. Fast der Drittel besucht auch mein Haus, und ich habe nun ein Fremdenbuch errichtet, um doch manchen lieben Namen fester zu behalten.

Wenn ich nie fleißiger geschrieben hätte als jetzt, so würde man nichts von den Sonderlingen wissen. Ich dusele behaglich sammelnd und verarbeitend in meiner Heimat herum, und mit der Heugabel in der Hand laß ich mir wohl sein. Die Ver­urteilung meiner Gegner bei der Gemeindewahl tut eine gute Wirkung, unserm Müller jedoch scheint sie noch sehr im Magen zu liegen.

Die Isabell ist nach Krumbach und noch nicht zurück. Ge­naueres über sie mag der beiliegende Brief bringen, den ich gestern zur Beförderung an Dich erhielt. Das Grumet steht sehr schön, die Bauern sind guter Dinge, nur daß viele einen Religionskrieg fürchten. Grüße mir Dein Wible, Bickel, Gaßner und alle Bekannten. Schreibe bald wieder. Ich bin sehr begierig, wie Berchtold und Thurnher sich vertragen. Warten wir es ab. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

Franz M. Felder

Schicke zur Einsicht ein Exemplar des Telegraf. Mayer soll Fotografien schicken!

Keine