FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
517
26. März 1868

Lieber Freund!

Ich leide am Übergang, der hier niemand übergeht, daher kam ich leider gestern nicht in die Kirche, wo es doch so interessant gewesen wäre. Pfarrer Rüscher las nach dem Evan­gelium mit wutheiserer Stimme - unsere Erklärung aus der Landeszeitung vor und machte dann darüber, natürlich be­sonders über die ihn treffende Stelle, ein Langes und Breites, ganz ähnlich der Auslassung der Feldkircher Zeitung über einen Gesichtspunkt. Es scheint also diese Logik ziemlich gemein - allgemein wollte ich sagen -, denn das andere zeigt sich durch sich selbst.

Abends nun kommt ein Brief von Dir und möchte das Er­scheinen unserer Erklärung ebenfalls bedauern. - Es ist end­lich Zeit, daß die Herren zur eigenen Ehrenrettung in sich gehen. Gestern will man aber davon nichts gemerkt haben. Meine Angaben über Müller sind wahr und haben auch den Zweck, daß ihm die Akten abgefordert werden, was nun geschehen sein soll. Für uns Wälder ist's kein Unglück, wenn man ihm auf die Finger klopft. Es gibt drum Gerichte für den Richterstand. Du selbst hättest so geurteilt, bevor Du Artikel für das Volksblatt schriebst, aber daß Du nun auch mein Vertrauen mißbrauchen werdest und müssest, glaub ich Dir selber noch nicht und erwarte meine Abschrift. In der Tagespost ist von mir gar nicht die Rede, die Partei aber muß ich eine liberale nennen. Altvorsteher Moosbrugger und Lump werden auch schwer etwas anderes so schnell werden. Meine Partei nenne ich übrigens nicht liberal, son­dern die Freimaurer, d. h. alle Denkenden. Beide Bezeich­nungen ziehen sich durch den ganzen Artikel, und zwar so, daß die Liberalen uns dienen. Auch im Schlußsatz liegt die Auslegung: Der Freund des Volkes wendet sich mittels freier Presse an die Öffentlichkeit, wenn ihn auch keine Gewaltmaßregeln des Ministers unterstützen. Diese Auslegung ist auch da und dort gemacht worden. Der Satz heißt doch: „Ich hab nicht darauf gewartet', oder er ist sinnlos. Unser Giskra ist dem Wälder geläufig wie unser Rüscher, Du weißt, daß es mir nicht an Beiwörtern fehlt, und wenn ich Deine Auslegung wünschte, hätt' ich trotz aller Eile noch Zeit gehabt, unser Innehaben [?] zu schreiben. Ich hätte noch mehr zu bemerken, das Wichtigste ist mir aber mein sozialer Roman. Auch da erscheine ich als offener, ehrlicher Gegner des Ultramontanismus. Ich denke, diesen Roman drucken zu lassen, obwohl er böses Blut auf beiden Seiten machen dürfte. Wahrscheinlich nehme ich ihn im Mai mit nach Leipzig. Ist's mir möglich, so geh ich im Sommer nach Wien, wo der Kreis meiner Freunde sich zu mehren scheint. Dort erwacht jetzt ein gesundes Volksleben, unab­hängig von schwarzen Einflüssen. Die Wiener Arbeiter und ihre Führer scheinen sich von keiner Partei ins Schlepptau nehmen zu lassen, und das gefällt mir und ist notwendig, wenn die schneidige Waffe der Lehre Lassalles nicht dem Selbstmorde dienen soll. Schweizer sagt, der Rock, den er schnitt, paßt nur Männern. Mir ist in der letzten Zeit der Ge­danke gekommen, unser Zweck wäre mit ändern Blättern eher zu erreichen. Auch unsere Gartenlaube scheint für Lassalles Lehre gegenüber den Leipzigern einstehen zu wol­len, wenigstens der Redakteur - in meinem Alter -, den ich in letzter Zeit mehrfach schätzen lernte. Mit den Gesichtspunkten bin ich einverstanden. Richtig ist auch die Kritik der Berufsklassen, obwohl ich die nicht ge­schrieben, nicht das Volk allen ändern Einflüssen unzugänglich gemacht hätte. Lassalle gibt den Arbeitern den Prüfstein selbst in die Hand: „Fragt nun, ob sie dieses eherne Gesetz aner­kennen."!!

Sehr befremdet hat mich die Anmerkung der Redaktion zu Deiner gemilderten Auslassung über den Klerus. Die Redak­tion sollte durch unbeanstandete Aufnahme die Probe liefern usw. Mir war das auch ein Gesichtspunkt und ändern auch.

Ich habe Kopfweh, glaube, Dir aber doch meine Gedanken klar und in freundschaftlicher Offenheit so klar als in Kürze möglich angedeutet zu haben. Ich versprach, Artikel laut Pro­gramm zu liefern, aber nicht schwarz für weiß zu halten und dieser Partei zu dienen, die uns zum Teil wenigstens nur gefälligst ausbeuten will. Beiliegende Zuschrift hat mich als Gruß aus der Hauptstadt recht gefreut. Wie muß ich wohl eine Antwort adressieren?

Meine  Federzeichnungen  etc.   liegen  laut Bergmanns Mit­teilung vor dem Minister Herbst, dem sie der Landeshaupt­mann übergab. Der Artikel in der Gartenlaube zeugt von gutem Willen und ist auf unser Publikum berechnet. Autorität!

Die Juppe wird noch heut auf die Post gegeben. Wir wollten auf billige Gelegenheit warten.

Und nun nix für ungut. Ich wollte Dir nicht gerade predigen, aber meinen Standpunkt klarstellen. Viel dran werde ich nicht zu ändern vermögen. Auch Du solltest nicht zu weit... Rüscher scheint auf die Erklärung ernstlich fort zu wollen. Er sagte gestern nach Verlesung der Landeszeitung: Ich werde Gott täglich um den Tod oder um Versetzung bitten. Diese Tage verreist er und will in Bregenz auch den Schluß der Erklärung einsehen.

Sie wurde auch an die Feldkircherin geschickt, aber diese scheint sie aus Haß gegen uns nicht mehr zu bringen. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

Felder

Von der Konferenz, wenn ich wieder gesund bin.

 

Keine