FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
632
30. November 1868

Lieber Freund!

Endlich komme ich mit der längst versprochenen Zeitung. Daß die Zusendung nicht aus meiner Schuld verzögert wurde, kannst Du Dir denken, daß ich Deinen Brief so lange unbe­antwortet ließ, wird Dir mehr aufgefallen sein. Mündlich hätte ich Dir sehr viel darauf geantwortet, brieflich nimmt sich die Sache ganz anders aus, wenn man sich selbst loben und tadeln sollte. Freilich handelte sich's hier mehr ums Ver­teidigen, und da muß ich schon einiges beantworten. Ich selber bin, seit das Buch gedruckt vor mir liegt, mit dem Jos am wenigsten zufrieden. Aber das kann ich doch weder an ihm noch an Hansjörg tadeln (psychologisch), daß das Bewußtwerden ihrer Lage sie herabdrückt. Ich glaube nicht, daß sie eine Verschwörung unter den verkommenen Gewohn­heitsduslern in Au zustande brächten, die man sehen lassen dürfte. Das Kapitel - im Walde - jedoch solltest Du nicht vergessen. Meinst Du, das müsse nicht wirken aufs Volk, mehr als eine Behandlung des Stoffes, wie sie vielleicht in 100 Jahren ein zweiter Schiller wagt?

Die innere Lösung vollzieht sich in den von dem Helden und den Bauerngemeinden losgerungenen Gedanken, und zwar so, daß sie einen Sozialdemokraten befriedigen dürfte, die äußere gemütliche Lösung ist für den Romanleser da.

Vielleicht nehme ich - da doch noch so manche Verzahnun­gen da sind, den Stoff wieder einmal auf und lasse meine Helden ihre Rolle weiter spielen. Jetzt freilich trage ich einen ändern Gedanken herum, während ich rüstig an meiner Selbstbiographie arbeite.

Etwa drei Wochen war ich bei Feurstein in Bezau. Man war bemüht, mir das Leben schön zu machen, und ich habe mich in seinem Kreise recht heimisch gefühlt. Der Mann trägt sich mit kühnen Plänen und ist für die Pflege des bereits Ent­standenen unermüdet. Hier in Schoppernau und Au haben wir für den Winter 8 Vereinssennereien. Galli muß für die Maß Milch 18 Pf. zahlen und bekommt doch noch nicht genug.

Von Frl. Hedwig Gaßner in Bludenz hab ich einen Brief erhalten, den ich hier beilege. Lese ihn für Dich, sende ihn dann wieder an mich. Ich möchte schon wegen Scherer ant­worten, wenn Du so gut sein und einen Brief besorgen willst, den ich nicht gern auf die Post gebe.

Bei mir daheim geht alles seinen Gang, so gut es kann. Mariann hält sich, daß ich sie nur loben kann. Den Kindern ist sie längst wie eigen, auch mir ist sie recht lieb, und ich ließe sie schwer wieder heim. Sie denkt auch nicht ans Gehen, obwohl man sie daheim dazu bereden zu wollen scheint, weil es der Mutter um den Verdienst einer Näherin ist.

Ich denke jetzt ernstlich daran, meine Güter für einige Jahre zu verpachten, um dann keinen Knecht mehr halten zu müssen. Jetzt würde alles viel gelten, und wir hätten es dann ruhiger, bis die Kinder gewachsen sind. Schon das Wible hat das gewünscht. Eine Kuh für uns würde ich allenfalls behalten. Was sagst Du dazu?

Von ändern Planen, die jetzt in mir aufdämmern, möchte ich lieber mündlich mit Dir reden.

Von Hamm hab ich noch immer nichts. In Bezau wuchs meine Biographie. Soll ich Dir einen Brocken davon schicken? Ich glaube, Du wirst mit der Arbeit zufrieden sein.

Über Kathrinentag wenig Neues, was geschrieben zu werden verdient.

Ich erwarte von Dir einen Brief in meiner Schoppernauer

Einsamkeit, gegen die das Leben in Bezau ein städtisches ist.

Grüße mir die Deinigen.

Mit Gruß und Handschlag

Dein Freund                                                          F. M. Felder

Keine