FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
94
22. August 1863

Verehrtester Herr Götte!

Ich beeile mich, Ihnen die Mitteilung zu machen, daß mein Wible, dero Frau Schwester wohlgeboren, in verflossener Nacht von einem Knäblein männlichen Geschlechts glücklich entbunden wurde. Die Entbindung ging glücklich vonstatten, und ohne die Hilfe der Hebamme, die erst später kam, wurde obgemeldetes Knäblein in die große Welt geschickt. Sinte­malen und alldieweilen nun unser viel- und hochgeehrter Herr Götte sich in der Abwesenheit befindet, so hat einer meiner Vettern Ihre Stelle, verehrter Herr Götte, zu über­nehmen die Güte gehabt. Vielerwähntes Knäblein ist  in die Kirche getragen worden und wird jetzt in aller Form getauft und mit dem mir so lieben Namen Kaspar in die Welt ge­schickt. Es zeichnet sich mit aller Hochachtung

und Verehrung der Vater (F. M. F.)

Geliebtester Freund!

Wie Du aus obiger Meldung ersehen haben wirst, ist meine im letzten Brief ausgesprochene Prophezeiung sehr bald ein­getroffen. Es ist, dem Himmel sei Dank, wieder alles glücklich abgelaufen. Das geborne Kind ist gesund, munter und, wie die Hebamme sagt, viel größer als Jakob war. Vielleicht wirst Du mich in dem Jahre noch einmal besuchen und Dich selbst überzeugen, daß Jakob jetzt wirklich einige Buchstaben aus­spricht.

Die vorige Woche war die Hitze ungeheuer warm und die Dürre sehr trocken. In Ünsche, einer Alp mit 102 Kühen, ist die Klauenseuche ausgebrochen und wird, da es jetzt schneit und man alles Vieh in den Ställen haben muß, sehr schnell alles anstecken.

Diese Woche konnte ich wieder einmal in meinem Zimmer bleiben und kritzeln, und ich habe es auch gehörig getan und die Gnadenzeit benützt. Meistens arbeitete ich an dem Werk­chen Bergmanns und habe zu seinem Vorarlberger Lexikon bereits mehr als 500 Nummern geschrieben. Ich finde an dieser Arbeit [mehr], als ich anfangs glaubte. Das Studium der Sprache eines Volkes ist das Studium des Volkes selbst. Ich gewinne durch diese Arbeit jedenfalls sehr viel, auch wenn ich sie, sobald sie vollendet ist, verbrennen würde, wozu ich aber natürlich keine Lust habe. „Und wo bleibt der Freimaurer?"

Der geht ganz gemütlich nebenher. Vormittags arbeite ich an diesem und nachmittags für Bergmann. Abwechslung macht Appetit! sagt der Wälder, und ich habe erfahren, daß er Recht hat.

„Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht bis an den Himmel wachsen!" sagt Goethe, und ich will Dir als Beweis dafür eigene Erfahrungen mitteilen, aber Geduld. Ich komme wie­der mit der alten Leier. Sintemalen der Mund von dem über­läuft, dessen das Herz voll ist. Also zur Sache: Wie ich Dir schon mehrmals mitteilte, findet mein gegen­wärtiges Streben und Schaffen hie und da Beifall, und zwar gerade von solchen, deren Beifall ich vor allen mir wünschte. Aber was tut die Menge?

1. staunen, daß ich so etwas dürfe. 2. schimpfen, weil man fürchtet, daß auch ich über gewisse Personen und Verhält­nisse schimpfen werde.

Nicht weil ich mich darum kümmere, sondern nur um Dir unsere Landsleute auf einer Seite zu zeigen, die - die Rück­seite ist, werde ich Dir das, was man sagt, im Auszug mit­teilen: Durch den Umstand, daß ich - ein Buch mache, habe ich sechs Todsünden und noch eine begangen:

1.      schrieb ich es aus Hoffart (sagt der Pfarrer)

2.      aus Geiz (der alte Vorsteher, weil ich es ums Geld schrieb)

3.      aus Unkeuschheit (es sei eine Liebesgeschichte)

4.      aus Zorn und Ärger über die Schoppernauer

5.      aus Fraß, daß ich den Freaßtobak vermöge zu zahlen

6.      aus Trägheit (natürlich!)

7.      sagt man, ich habe alles aus ändern Büchern zusammen­geschrieben und Du habest mir geholfen

8.      - doch das ist mehr als genug, Du hast nun gehört, aus welcher Tonart  man  orgelt,   und  mehr  bezweckt  mein

Herzählen nicht, denn Kummer machen mir natürlich diese Redereien nicht den mindesten. Man sieht aus diesen Vorurteilen, was man für Vorurteile hat. Bestellt wird das Werk­chen hier sehr häufig und in Au ebenfalls. Mit Korrigieren werde ich hoffentlich bis Ende September fertig. Da das Werkchen in Augsburg gedruckt wird, geht viele Zeit mit Hin­und Herschicken der Bogen verloren.

Deine Mutter ist jetzt beim Buabo, die Motal auf Krumbach. Auch im Sattel ist die Klauenseuche.

Kaspar ist getauft, Nr. 14 in diesem Jahr und noch etwa 10 Stück folgen nach. Die Einwohnerzahl von Schoppernau wächst und - die Jungfrauen vermindern sich, ohne daß viel geheiratet wird. Mit dem Brief des Schneiders ans Margrethle ist's richtig - Willis Motla haben ihn gelesen. Doch wird der Schneider noch ledig bleiben müssen, einer meiner Vetter könnte der Glückliche sein, doch sagt er: ich raut ih mug nüd! Ludmilla ist noch immer in Au. Einmal hat sie mich, als ich nicht zu Hause war, mit einem Besuch erfreut! Zu denjenigen, die meine Witze nicht mehr gemütlich kitzelnd, sondern krat­zend und beißend finden, gehört nun auch Kurats Köchin. Nun wegen meiner!

Doch ich fange an, immer langweiliger zu werden und will daher schnell aufhören. Ich habe heut noch für Greußing das Kathrinenlied umzuschreiben und zu verbessern. Wenn Du heim kommst, wird man Dir den Kathrinentag singen, doch ich klimpere schon wieder mit meinem Handwerk - nun kein Wort mehr.

Lebe wohl und schreibe gelegentlich (das liebste wäre mir recht bald) Deinem Freund

Franz Michel Felder

Keine