FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
519
3. April 1868

Lieber Freund!

Mein letztes Schreiben hat kurz erzählt, daß Rüscher unsere Erklärung in der Kirche vorlas, erklärte und verdrehte, wie wohl noch selten ein Schriftstück verdreht worden ist. Wir hätten nach diesem erklärt, mehrere „einzelne Verkünder des Worts wollten durch falsche Lehren das Volk vom Wege des Heils abbringen". „Diese drei Ehrenmänner und Auchkatho­liken haben also die ganze Priesterschaft beschimpft" usw.!!! Mittags hieß es öffentlich auf dem Kirchplatz: Man sollte uns erstechen. Einzelne sprachen das schon in der Kirche aus. Auf dem Heimweg bekamen die Weiber beider Parteien überall Händel, und es ging zu, daß es gar nicht zum Be­schreiben ist. Seitdem heißt es, man sollte mich und meine Brut umbringen. Alles ist überzeugt, daß mein Haus nicht mehr stände, wenn es allein verbrannt werden könnte. So wird hier von den Frömmlern der vielbesprochene Satz der Gesichtspunkte bestätigt. Am Donnerstag nach der Messe ging Rüscher fort und sprach selbst die Besorgnis aus, daß bis zu seiner Wiederkunft ein Unglück geschehen könnte. (So wird erzählt.) Am Freitag abends, das hab ich aus bester Quelle, sollte der Baum vor dem Hause des Vorstehers umgehauen werden. Das hätte eine hübsche Geschichte gegeben. Nur die furchtbar stürmische Nacht hat vielleicht Mord und Totschlag verhindert. Des Pfarrers Köchin selbst hat das gesagt. Sie wurde die ganze Nacht von dem Gespenst einer jüngst verstorbenen Plaudertasche verfolgt. Am Samstag in der Früh kam sie in die Krone, um eine Schwatzerei über mich ins Reine zu bringen, schimpfte dann aber auf dem Heimwege den ihr begegnenden Vorsteher einen Lümmel. Nachmittags kam Rüscher in etwas demütiger Stimmung heim. Am Sonntag fanden sich abends Burschen zusammen, um den drei Ehren­männern die Fenster einzuwerfen. Sie sollen einen Gesandten zum Pfarrer geschickt haben, und so ist denn das bisher unter­blieben. Der Uhrenmacher schläft neben geladenem Gewehr, auch andere meiner Freunde beginnen sich zu bewaffnen. Nur ich bin wehrlos, da mir das Amt auch den Schutz der Gesetze nicht zuteil werden läßt. Die Gegenerklärung in der Landeszeitung sagt mir sehr viel. Man zieht die ändern aus der Sache, ich aber bin rechtlos. Und doch haben wir nur den Glauben bekannt. Mir ist klar, was ich unter solchen Umständen tun kann. Eben weil ich den Kampf nicht auf­geben will, muß ich an die Sicherheit meiner Person denken und würdigere Gegner suchen, die mich nicht damit wider­legen, daß sie ihre Hunde auf mich hetzen. Ich werde, sobald ich wieder ganz wohl bin, Feurstein u. a. um ein Darlehen ersuchen, meine hiesigen Schulden bezahlen und dann ohne Lärm nach Leipzig dampfen, um dort ruhig meinen Roman zu vollenden und das Weitere zu erwarten. Sollt ich mich dort nicht anders durchbringen, so kann ich unseren Sprach­und Spruchschatz im Wörterbuch verwerten und nebenbei Artikel schreiben. Vielleicht gelingt es mir dann auch, einige Verbindungen in Wien fester zu knüpfen, sonst aber hab ich auch Anträge von Berlin. Oder soll ich hier den Ultramon­tanen eine Waffe für sie in die Hand geben helfen, während ich von ihnen meines Lebens nicht sicher bin. Was wir an­streben, ist im allgemeinen Arbeiterverein gegeben. Ich werde nach dem Erscheinen von ,Reich und Arm' die Verbindung von Schweizer suchen. Das sind so meine Pläne, und Du wirst keine bessern wissen. Es hängt ganz von den Umständen ab, ob ich an der Versammlung werde teilnehmen können, die Vonbank wünscht. Ich hielt auch ihn an das Programm gebunden, und Artikel, wie den über das Jesuiten-Gym­nasium, hab ich im Volksblatt keine mehr zu lesen erwartet. Sind etwa nur wir ans Programm gebunden? Nun aber wird's Zeit, daß ich schließe. Wie es hier steht, hast Du nun gehört. Der Abdruck meiner Schattenbilder in der Feldkircherin wird nichts bessern, wenn ihn auch Rüscher nicht mehr in der Kirche verlesen und verdrehen sollte, was erst noch zweifelhaft ist. Erwäge meinen Bericht, und da Du sonst nicht viel für mich tun können wirst - hat doch auch Vonbank noch nichts ausgerichtet- so schreibe doch bald. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

Felder

Siehe Nachschrift:

In Au hab ich viele Freunde, vor allem werde ich mich umsehen, ob ich nicht dort ein Unterkommen finde, etwa bei Greber oder in Bezau. Ich möchte doch meinen Roman hier vollenden. Vielleicht könnte sich bis da etwas ändern. Käme Rüscher fort, so war gleich alles etwas besser.

Der Obige

Keine