FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
107
20. Januar 1864

Lieber Freund!

Dein Schreiben vom 24. Dezember habe ich den 3. -, das für mich so trostreiche vom 5. d. M. am 10. - erhalten und benütze nun die erste Gelegenheit, Dir beide Briefe zu be­antworten. Mit dem Urteil des Dr. Vonbun bin ich zufrieden. Daß mein Werkchen etwas Stallgeruch bei sich habe, ist nicht zu leugnen, und dagegen, daß es ihm zu reell ist, habe ich natürlich nichts einzuwenden. Was er über Auerbach sagte, ist richtig, doch habe ich Gründe, daran zu zweifeln, ob Vonbun auch den Gotthelf, ja nur seine beliebtesten Werke, Uli der Knecht, Uli der Pächter, Käthi (welche Ziegen und Hennen in der Stube hat), Michels Brautschau, die Käserei in der Vehfreude u. a. m. gelesen habe. Ich könnte noch viel zu meiner Verteidigung sagen, doch es ist genug, nur daß er vielleicht an dem Bauer den unzünftigen Schriftsteller tadelt, was er an einem zünftigen loben würde, ist ein Gedanke, der mich nicht mehr verlassen will. Vonbun glaubt vermutlich, der Bauer könne nicht anders schreiben, als so wie ich das Werkchen geschrieben habe, was meinst Du? - Den fraglichen Artikel in der Landeszeitung hat Franz Jochum geschrieben. ­Im de- und wehmutsvollen Brief vom November wollte ich Dich nicht um Geld ersuchen, sondern Dir nur meine Stim­mung schildern, zu der auch meine unangenehme Lage sicher sehr viel beigetragen hat, obwohl ich nicht sagen kann, daß sie die einzige Ursache derselben war. Sollte allenfalls die Feldkircher Zeitung, deren Redakteur ich nun mein Werkchen zugeschickt habe, dasselbe besprechen, so bitte ich, mir die betreffenden Nummern gelegentlich zuzusenden, da - soviel ich weiß, die genannte Zeitung hier nirgends mehr gehalten wird. - Ich werde ja wieder zu Schriftstellern anfangen. Die meiste Winterarbeit ist getan, und ich fühle mich wieder ganz gut aufgelegt, die Sonderlinge fortzusetzen. Doch zuerst werde ich das im letzten Winter Geschriebene noch einmal umarbeiten, da mir jetzt manches selbst nicht mehr recht ge­fällt. Von diesem Werk wird Vonbun nicht mehr sagen, daß es zu wenig ideal sei! Gewöhnlich gibt es aus unserem Ländchen im Winter viel mehr zu berichten als im Sommer, doch heuer ist das ausnahmsweise nicht der Fall. Die merk­würdigsten Ereignisse des Jahres 1863 waren: Die Klauen­seuche, das Brandunglück in Schröcken und mein Buch. Von diesen drei Ereignissen sprach man überall so, daß man kaum mehr Zeit hatte, von den unterdes gehaltenen Hochzeiten zu reden und die Paare gehörig durch die Hechel zu ziehen. Nun aber ist's wieder ruhig geworden, die Seuche ist ver­schwunden, die Schröcker haben reichliche Beisteuer erhalten und mein Buch ist von jedem gelesen worden, der nur überhaupt lesen oder doch wenigstens buchstabieren kann. Verstanden hat mich in Schoppernau, der Pfarrer ausge­nommen, kein Mensch, sonst würden die Dicken und Kom­pagnie noch viel ärger geschimpft haben. Die Gemeinde­rechnung ist nun nach meinem Kopf gehalten worden, d. h. man hat die Unkosten nicht mehr auf Köpfe und Häuser verteilt. Ich selbst war nicht dabei, habe mir aber alles genau von Ohrenzeugen erzählen lassen. Die Gemeinderäte sollen als Einzige das lobend anerkannt, was ich vor einem Jahr gesagt, sich beiläufig so geäußert haben: „Er hilft ja den Ärmeren, das ist wahr, aber er tut es nur, weil in unserem Dorf fast lauter Bettler sind. Diese will er sich zu Freunden machen, um recht bald Vorsteher zu werden oder so etwas, denn stolz ist er wie wenige, wenn man es auch seinen Hosen nicht ansieht." - Wenn diese Männer gewußt hätten, daß ich nur deswegen nicht zur Rechnungssitzung ging, weil - es mir an Geld fehlte, meinen Teil sogleich zu zahlen, das würde ein Triumph für sie gewesen sein. ­Dein Freund

Fr. M. Felder