FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
122
26. Juni 1864

Geliebter Freund!

Daß mich Dein letztes Schreiben gefreut hat, brauche ich Dir wohl nicht zu sagen. Es braucht einer nicht gerade stolz zu sein, um sich zu freuen, wenn sein „Kind" auch ändern Leuten gefällt. Etwa acht Tage vor Deinem Schreiben habe ich einen anonymen Brief erhalten, in welchem der Verfasser meine Schreibart lächerlich machen will. Mehr davon zu sagen ist unnötig; ich habe ohne viele Mühe herausgebracht, daß der Brief vom Alt-Vorsteher Kleber zu Schwarzenberg kommt, der ihn wahrscheinlich nicht ohne Wissen und Willen des ehmaligen Kaplan Sieber geschrieben hat. Die wichtigste Neuigkeit ist, daß unser Pfarrer in etwa 14 Tagen von hier fort und nach Altenstadt kommt, welches um so mehr bedauert wird, weil statt seiner Pfarrer Kohler vom Lech hieher kom­men soll, welcher früher Grenzjäger gewesen (Vorurteil). Letzte Woche besuchte mich der Auer, Egger, Andelsbucher u.s.w. -Adel, und lud mich ein, andere Hosen anzulegen und mit nach Schröcken zu gehen, was ich auch tat. Die Geliebte des Wirts war auch dabei, es wurde einen Tag gesungen, getanzt und geplaudert. Die Isabell ist immer die Alte, ja sogar immer älter, ich bin immer noch bei ihr in Gnaden. Mit der Wahlberechtigung von Haag Hanso Maatis Buobo ist es nach meiner Ansicht nichts. Hopfreben zahlt die Steuern gemeinsam und hat einen eigenen Meister, ich glaube daher, daß man nur diesen Meister als stimmberechtigt an­nehmen werde, wodurch nicht viel gewonnen wäre (wenig­stens diesmal). Wenn Maatis ihre Güter allein hätten, dann wäre es etwas anderes. Das ist meine Meinung, doch werde ich auch mit ändern darüber reden und Dir dann wieder schreiben. -

Vom Bergmann in Wien habe ich am 8. Mai einen Brief erhalten. Er dankt mir für das ihm im April Zugesendete und verspricht mir, mich diesen Sommer in Schoppernau zu be­suchen. Mein Büchlein, schreibt er, habe allen seinen Freun­den gut gefallen. Professor Häfele*) habe eine Besprechung an die Redaktion der österreichischen Wochenschrift1 ge­schickt, die demnächst erscheinen werde. Pfarrer Kohler hat letzthin aus seinem Buch den Auer Herrn einiges vorgelesen. Der Kurat fand es nicht gut, der Doktor

*)  Häfele lebt in Salzburg, hielt sich diesen Frühling in Wien auf. Er ist ein Hohenemser.

sagte nichts. Von Stettner hab ich die Abschrift des schon erwähnten Artikels der Europa erhalten. Es ist kein Zeichen dabei, doch kommt er, glaube ich, von Professor Hildebrand in Leipzig. Er lautet:

Zwei neue Dorfgeschichten.

Die Europa hatte öfters Gelegenheit, gegen die Richtung zu sprechen, welche der Volksroman eingeschlagen hat, gegen die Ausartung, die uns Bäuerinnen und Bauern, Holzschläger und Viehmägde in idealisiertem Sonntagsstaat und mit nobel­sten Sentiments bis an die Kehle gefüllt, vorführt. Zwei neue Dorfgeschichten: ,Nümmamüllers und das Schwarzokaspale' von Franz M. Felder, Lindau, Verlag von Stettner und ,Almen­rausch und Edelweiß' von Hermann Schmid, Berlin, Otto Janke, erquicken durch die kerngesunde Natürlichkeit, die beide erfüllt. Da sehen wir Menschen, die Schwielen an der Hand bekommen, wenn sie arbeiten, und denen die Haut naß wird, wenn es regnet. Felder erzählt von dem Leben und der Natur des Bregenzerwaldes und versetzt seine Erzählung in eine Zeit, wo das moderne Leben in diesen abgelegenen Winkel hineinzugreifen begann. Durch diesen Umschwung begünstigt, arbeiten sich zwei brave Familien aus der Armut empor und helfen zuletzt dem ganzen Dorf weiter. - Schmid hat das bairische Gebirg zum Schauplatz gewählt. Jäger und Wildschützen, arme und reiche Bauern bilden die Gegensätze, aus denen sich die Konflikte von selbst entwickeln. Als Erzähler steht Schmid vielleicht höher als Felder, in der Porträtierung des Gebirgslebens wie es ist, nehmen beide dieselbe Stelle ein, und diese Stelle ist eine sehr achtbare.

Europa 1864, Fo. 5.

Das ist genug, vielleicht hast Du später Gelegenheit, mir auch die von Dir gefundene Besprechung zu verschaffen. Mein Weiblein hat fast Lust, in diesem Jahr eine freundliche Einladung Stettners zu benützen und nach Lindau zu reisen, sein Mann würde mitgehen, und Du würdest dann jedenfalls mit einem Besuche - beehrt werden. Ingenieur Willam wird, wie mir Bergmann mitteilte, schon bald wieder in den Bregenzer­wald kommen.

Die Kühe geben nicht viel Milch, woran mehr das schlechte Wetter als Futtermangel schuld ist. -

Ich habe leider heut nicht Zeit, Dir mehr zu schreiben, denn ich muß nach Hopfreben. Du wirst auch diesen Zeilen meine Eile ansehen. Schreibe bald wieder Deinem Freund

F. M. Felder