FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
126
1. August 1864

Amtlicher Teil. Bekanntmachung.

Die Unterzeichneten bestätigen hiemit, daß am 19. August im Hause des Jakob Felder selig weder Predigt noch Christen­lehre gehalten wurde und daß kein Wölklein das frohe Wiedersehen trübte.

Franz Michel Felder

Anna Katharina Moosbrugger.

Nicht amtlicher Teil.

Geliebter Freund!

Als ich über die Lose ging und von Dornbirns Bewohnern in Gedanken Abschied nahm, da verhüllte der Himmel sein An­gesicht und weinte. Ich aber eilte froh den Meinigen entgegen und kam um Va 6 Uhr glücklich zu Hause an, wo ich mit der Neuigkeit, daß Kaspar seit meiner Abwesenheit an den Bänken gehen gelernt habe, sehr angenehm überrascht wurde. Ich hatte auf dem Wege stark geraucht, meine Kleider dufteten wie die eines Tobäcklers und das Marianele, eine Nachbarin, fragte mich: „Gelt, Du hast Dich an einem luttischo Ort aufgehalten?"

„Warum fragst du das?" „Sag's nur, ich sag dir dafür etwas anderes." „Nun ja, ich bin an so einem Ort gewesen." „Ja, das glaub ich gern, denn ich hab's dir gleich ange­schmeckt, du riechst gerade wie die Stückle, welche von luttischen Fabrikanten kommen."

Also nicht bloß mit den Augen, auch mit der Nase wird unser einer beobachtet. Heute ist mir im Arbeitszimmer wieder ganz närrisch wohl; ich habe eine Weile gearbeitet und dann den Preßprozeß gelesen, wobei mein patriotisches Gewissen bald erwacht wäre und mich mit der Erinnerung an einige Reden über Kaisers Geburtstag bis unter Herrn Kunz stellte. „Wenn das am grünen Holze geschah" u.s.w. Doch ich rede mit einem Juristen, der aus allem einen fertigen Satz macht, nicht berücksichtigend, ob der andere noch mehr zu sagen hätte, daher ich noch beifügen muß, daß ich wenigstens mit Herrn Kunz nicht zu einer Holzgattung zu gehören die Ehre (nach anderen Quellen Schande) habe. Beim Durchlesen der Broschüre tat mir das vom Jochum ererbte (?) Strafgesetz beinahe so gute Dienste als auf der Reise seine Socken.

Nie vergesse der Mensch:  Er sei  ein Schuldner von allen, nie sei zum Geben er karg, niemals zum Nehmen zu stolz.

Am 4. September

Stettner ist nicht gekommen. Die Kirchweih in Au war schon lange nie so langweilig als heuer. Die Leute mußten fast alle dem am „Schaden liegenden Heu" nachgehen. Jok hat noch nichts verkauft als einige Kühe. Der Wirt im Schröcken hat am Tage nach der Kirchweih - Hausherrenrecht „gepflogen" und Knechtiis dam Grosso (von Au), der sich unartig aufführte, nach heftigem Kampfe mit ihm einige Löcher in die Um­gebung seines Verstandskastens geschlagen. Auch Herr Gallus Moosbrugger soll vor kurzem sein „Kalb" (Weib) braun und blau geschlagen haben. Wir können also den Mecklenburgern zurufen:

Wie bei Dir,

so bei mir.

Doch nun von etwas, worüber ganz Jerusalem sich freut, nämlich von der Nachricht, daß Pfarrer Rüscher kommen und uns genau den Weg der Tugend wandeln werde:

Wie in der Wüste einst Jehovas Wolke Nach

Kaanaan dem auserwählten Volke.

Nur der Vorsteher ist ärgerlich über das Wirtle und gönnt ihm doch zum Teil den Schuh voll, den es aus dem Brief herausgenommen hat. Die Sache - wie alles, was Dr. Waiser weiß, wird bekannt werden und beim Publikum, welches „mit hohen Augenbrauen gelassen dasitzt", ein allgemeines Schütteln des Kopfes verursachen. Der Pater Zeno hat nun mit mir (oder ich mit ihm) geredet und mir gesagt, daß meine Kinder das jüngste Gericht wahrscheinlich erleben werden. Was werden also erst die Deinigen alles erleben? Im Lassalle habe ich gelesen und bin so verhitzt, daß ich auch die ändern Schriften später von Dir verlangen werde. Dafür übersende ich Dir dann den Schulze und von der Bibel, die nun voll­ständig da ist, was Du willst. Wegen „dum Muas" essen Deines Julius möchte ich Deinem Wible einen Artikel in der Gartenlaube Nr. 32 (Strafpredigt für Mütter von Bock) emp­fehlen. Die Neuwahlen für Schoppernau sind auf Ende Sep­tember angeordnet und ich werde mich dann beeilen, Dir das Resultat brühwarm mitzuteilen. Jetzt hört man in maß­gebenden Kreisen den Zuruf:

Laßt alles hübsch beim Alten Und laßt den

Albrecht walten. Weiß er sich nicht Rat, ihr

Herrn, Das ist ja recht, wir raten gern.

Vermutlich werde ich Dir mehr interessante Beobachtungen als Neuigkeiten vom Wahltage mitzuteilen haben.

5. September

Wie wenig freie Zeit ich jetzt habe, magst Du daraus ab­nehmen, daß ich schon 14 Tage an diesem Brief herum schreibe. Ich hoffe, Du wirst daher auch meine schlechte Schreibart entschuldigen.

Ich habe Dir schon mitgeteilt, daß Albrecht (Hansköarlar) in Weiden, durch Moosmann aufgeredet, gegen die ihm diktierte Strafe protestierte. Nun hat Mathis - nachgegeben. Sonst weiß ich Dir nur wenig Neues mitzuteilen, alles ist mit Heuen beschäftigt, wenn man auch noch so wenig ausrichten kann, von den Gemeindewahlen hört man hier gar nichts und in Au nicht viel. Natter, der hitzige Schneider, kann sich oft recht ereifern über die dummen schläfrigen Bauern, die immer über die Vorgesetzten schimpfen als zur rechten Zeit nicht. Von den hiesigen Ausschüssen wäre, wenn man einen neuen Vorsteher aus ihnen wählen wollte, kein Heil zu hoffen. Es ist eine allgemein bekannte Sache, daß es beinahe durchwegs die Eigennützigsten im Dorfe sind. Nur den Adler­wirt und den wirklich gemütlichen Jäger nehme ich hievon aus, doch sind das Männer, denen es nicht am Herzen, aber am Kopfe fehlt. An der Auer Kilbe abends sind die Buben dem Kapuziner zu laut gewesen. Die Woche hindurch hörte man überall davon und gestern abends war es nun so laut, wie seit Jahren nie. Der Geist des Widerspruchs regt sich immer mehr und die jungen Leute sagen: Er macht die Alten zu Narren, das ist das Ärgste, sonst könnte er unsretwegen sich alle Sonntage so heiser lärmen als gestern, wo er zum Schrecken der - Gemeinderäte sagte: Wer einen Gulden un­gerechtes Gut besitzt, ist verdammt.

Wie lebst Du, was macht Therese und Julius? Grüße mir erstere recht freundschaftlich. Auch mein Wible, welches ich nun bald nicht mehr mit Du, sondern nur mit Ihr anreden darf, läßt Euch recht freundlich grüßen.

Wenn das Heuen vorüber ist, werde ich nach Hopfreben ziehen. Dort hoffe ich wieder meinen Studien und den Musen mich hingeben und das Kapitel ,Ein Sonderling als Küher' ausarbeiten zu können. Ein hübscher Roman: ,Die Mord­weihnacht' von Herrn Schmid erschien jüngst im Heim­garten. Ein Urteil über diese Zeitschrift brachte jüngst die Allg. Zeitung, welches, wie mein Wible bestätigen kann, mit dem meinigen gänzlich übereinstimmt. Ich werde nun die vielen Zeitungen, die mir durch die Hände gehen, noch flei­ßiger zu lesen Zeit haben und hoffe dadurch viel zu lernen. Mit den Alten bin ich nun so ziemlich bekannt und werde mich nun auch mehr an die neuen modernen Dichter wenden, jedoch nicht ihr Affe werden, wie es beim Gotthelf eine Zeit­lang leider fast geschehen wäre. Allfällige bedeutendere Bücherbestellungen bitte ich durch mich machen zu lassen, da ich, wie Du weißt, 10 Prozent Rabatt erhalte. Wie ich soeben vernehme, wird Pfarrer Rüscher noch in diesem Monate hieher kommen. Pater Zeno reist aber früher ab, weil er seinen kranken Vater in Landeck zu besuchen eilt. Statt ihm wird der Prior kommen. Hast Du in der Illustrierten Zeitung noch nichts über mein Schwarzokaspale gelesen? Erlauben Sie, Herr Adjunkt, nun noch die Frage: Gibt es etwas Erbärmlicheres, als diese Artikel einiger Kriecher und Speichel­lecker in der Landeszeitung über „das allerhöchste Geburtsfest Sr. apost. Majestät"? Das ist noch ärger als der „Höchstselige König von Bayern". Die konservativen Schriftsteller haben es ungemein bequem, denn ihre Erbärmlichkeit ist Patriotismus und - ihr Patriotismus Erbärmlichkeit. Muß denn ein Öster­reicher noch immer, wie sich Gilm ausdrückt, wie der Wurm im Staube kriechen, um als guter Untertan zu gelten? Ich glaube, Dein „Demokrat" und „verlorenes Kind des Vater­landes" schon zu hören. Aber dennoch muß ich sagen: Ich schäme mich zuweilen fast, ein Vorarlberger zu sein, ein Bauer zu sein, habe ich mich noch nie geschämt! Trotz dieser unpatriotischen Gedanken erlaube ich mir, mich zu nennen

Dein treuer und aufrichtiger Freund F. M. Felder,

der sich über manches ärgern würde,

wenn es nicht zu lächerlich wäre.

Ich bitte um baldige Antwort.

Keine