KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
125
28. Juli 1864

Lieber Freund!

Also von meinem Bub. - Mein Bub ist am 18. d. Ms. lärmend und schreiend, wie Buben eben zu tun pflegen, in unsere Staatsbürgerschaft eingetreten. Am 19. trat er auch in den Verband der kath. Kirche und legte sich, damit er nicht ver­gesse, wann er geboren sei, den Namen Julius bei. Seither ist Lärmen, Furzen, Schlafen und Muttermilch trinken seine Hauptbeschäftigung. Wie er, ist auch das Weibl wieder ganz gut. -

Die Zahlen 3 und 6 oder durch diese teilbare Zahlen machen sich mir auf meinem Lebensgange bemerklich. Anno 1830 und zwar am 6. Tag jenes Jahres, d. i. am Dreikönigstag, wurde ich geboren, d. h. einfacher Mensch; anno 1863 am 12. des drittletzten Monats wurde ich verdoppelt, und 9 Monat 6 Tag nachher, d. i. am 18. d. Ms. kam mein Bub als Produkt meiner Verdoppelung und als der 3. im Bund zur Welt. - Ist das nicht interessant? - Nein, aber was sich aus obigem ergibt. Als ich nämlich verdoppelt wurde, war ich gerade 33 Jahr, 9 Monat und 6 Tag alt; von meinem Ge­burts- bis zum Verdoppelungstag 1863 verfloß also gerade so viel Zeit, als ich zur Herstellung eines Menschen brauche d. h. 9 Monat und 6 Tag. Auch in anderer Richtung läßt sich dies Thema durch mein Leben verfolgen: Anno 1836 kam ich auf die hohe Schule in Au, anno 1842 kam ich zum Studieren nach Feldkirch, anno 1848 lief ich im Zorn davon und wurde Schullehrer in Au, anno 1854 beendete ich meine Studien, anno 1860 kam das Oktober-Diplom und verlor ich meine Stellung in Ungarn. - Unter meinen Geschwisterten bin ich dem Alter nach das 6. und hab noch 3 hinter mir. Und so ließ sich die Sache weiter fortspinnen, doch genug. ­Du machst Bibelstudien, das ist gut. Unsere Zeitfrage aber ist die soziale Frage, die allerdings mit der Bibel zusarnmenhängt. Du hast im Nümmamüller zwar ein Verständnis dieser Frage gezeigt (und es wundert mich nur, daß Deine Kritiker dies nie hervorhoben); diese Frage aber geht mit Riesen­schritten nun ihrer Lösung entgegen. Die deutschen Arbeiter nehmen schon in Masse Partei, sie wurden schon handgemein mit den reichen Fabrikanten. Der Name Lassalles wird noch die Welt erfüllen, obwohl ihn ein preußisches Gericht nach dem ändern jetzt aburteilt. Seine Sache ist eine große und hat unbedingt eine Zukunft. Er ist ein Feind Österreichs, ein Feind unserer Kirche und ein Feind Großdeutschlands, aber eine großartige Erscheinung im deutschen Volk von unver­gleichlicher Gesinnungstüchtigkeit und wissenschaftlicher Schärfe. Bischof Ketteier in Mainz, dessen Werk gegen Lassalle etc. ich eigens kommen ließ, macht sich beinahe lächerlich, wo er den Lassalle korrigieren will; dies Werk ist die größte Lobrede auf diesen größten Demokraten, den ich kenne. Daß Bismarck, Rechberg und Rußland vor der deutschen Demo­kratie zittern, davon haben sie bereits Belege abgelegt. ­Dies alles führe ich nicht deshalb an, weil ich für die deutsche Demokratie eingenommen, im Gegenteil, sie ist mir eine objektive Erscheinung wie eine andere; ich wollte Dich nur aufmerksam machen, daß außer dem Bregenzerwald keine friedlich biblischen Zeiten mehr sind, und es sollte mich wundern, daß bei dieser Lage Deiner Sache, wofür Du schon eine Lanze gebrochen, Du unberührt bleiben solltest! -

Bist Du etwa schon auf den Standpunkt des Objektivismus geraten? - Traun, das wäre für Dich zu früh. Studiere unser Steuerwesen und was dran hängt, und Deine Liebe zum Volk, erwärmt durch die Liebe zur Bibel, wird Deinen Sub­jektivismus, um den es wirklich schade wäre, zu neuen und wertvollem Taten entflammen. -

In der österreichischen Wochenschrift habe ich vom Häfele, der mein Mitschüler, sogar mein Quartiergenosse war, noch nichts gefunden. In derselben Zeitschrift war auch die Notiz, von der ich Dir schrieb.

Ich ginge sehr gern in den Bregenzerwald, aber es ist hier sehr viel Arbeit, und ich weiß nicht, ob und wann ich los werden kann.-

Wenn Du mir wieder schreibst, und ich hoffe, daß es bald geschehe, teil mir auch mit, wie es den Brüdern auf Krumbach geht. -

Ich muß Dich noch auf das merkwürdige Urteil des Inns­brucker Landesgerichts im Prozeß des Kunz in Feldkirch und der Doktoren gegen den Tiroler Bot aufmerksam machen. So was ist noch nie vorgekommen. Ich werde Dir die Bro­schüre schicken. -

Mit tausend Grüßen an alle lieben Wälder Dein Freund

K. Moosbrugger.

Sag meinen Brüdern, sie sollen sich schämen, daß ich, den man daheim nicht hat brauchen können, der erste der Brüder bin, der einen Buben herstellt und so für Fortsetzung des Stammes „Haghansomati" - wahrlich nicht zu zeitlich ­gesorgt hat. -

Das macht alles Nummer 3.