FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
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9. Januar 1867

Lieber Freund!

Vorgestern feierten wir unser Vereinsfest und ich habe dabei eine Ehrenstelle bekommen. Mehr aber als das freute mich den Tag hindurch das wirklich vereinliche Leben. Abends kam der Lehrer von Rehmen, machte Dummheiten, fing Händel an, und das so schön angefangene, von 64 Mitgliedern be­suchte Fest endete mit einer Schlägerei, wobei der Lehrer von Rehmen das Messer zog. Bedeutende Verletzungen gab es nicht, und schließlich hat auch der erbärmliche Unheil­stifter sein Teil erhalten. Wir und alle gingen spät heim aus Furcht vor den Racheschnaubenden, welche Furcht so all­gemein war, daß man nun wenige gar nicht allein fort ließ. Auch der Uhrenmacher Felder ist Vereinsmitglied geworden. Er ist am 25. Dezember hier angekommen und arbeitet nun an alten „Zwiebeln", wie er unsere Uhren nennt. Er hat überhaupt für das Unsere die wunderlichsten Bezeichnungen, und ich möchte unser Wiedersehen fast mit der Szene in Schillers Don Carlos vergleichen, wo Posa seinen Jugend­freund „so anders" und kein Herz für die Provinzen findet. Und doch ist er wieder ganz der Alte, ganz der, der er werden mußte. Der Sinn für das Hohe fehlt ihm nicht und ist nur mit französischen Fetzen behängt, die ich ihm etwas wegzu­reißen suchen werde. Der Natter ist so ziemlich der Alte geblieben.

Feursteins Frau scheint die in Aussicht stehende Vergrößerung des Geschäftes nicht zu wünschen. Das ist umso mehr zu berücksichtigen, da sie sozusagen Geschäftsführerin ist. Wenn in Bludenz eine Druckerei wäre? Vielleicht könnte eine in Bregenz gewonnen werden, Du wärest derselben durch die Post etwas näher und könntest dann vielleicht die Leitung übernehmen. Die Gespräche druckt Feurstein. Ich habe sie ins Reine geschrieben, einzelnes klarer gemacht und vorgestern fortgeschickt. Natter ist noch so ziemlich der Alte, in der Fremde hat er nicht besonders viel - jedoch die Montafoner - kennengelernt, und Deine Theres würde ihm für seine kulturgeschichtlichen Beiträge wohl wenig Dank wissen. Er hat („leider!!") neben sechs bis acht solchen Dingern leben müssen.

Eben kommt ein Brief von Hildebrand, der Aufruf zu den neuen Wahlen und der Doktor mit der Nachricht, daß in Au für Dich agitiert werde. Wenn ich Deiner sicher wäre, würde ich hier für einen sein, der bei der Hauptwahl sicher durch­fiele. Hildebrand nimmt seine Vorschläge zu Änderungen in den Sonderlingen zurück, nur eine läßt er stehen. Ich werde noch nachdenken, denn nur aus Höflichkeit geb ich nicht gerne nach. Die ersten vier Bogen sind bereits gedruckt und ich werde selbe am Sonntag erhalten. Die Korrektur liest Hildebrand selbst. Er sagt, daß es sich gedruckt recht ange­nehm lese. So sei er erst ins Ganze gekommen, nur aus Franzens Mutter will er eine Betschwester haben. In einem bereits ausgedachten, etwa für die Feldkircherin bestimmten Artikel, den ich Dir jedenfalls sende, wenn und bevor es ernst wird, wirst Du viel Interessantes ersehen und die Strömung hier beurteilen lernen. Pfarrer Rüscher ist moralisch so gut wie tot und den von ihm im Schweiße des Angesichts eroberten Gegnern bleibt nur das Begraben, während die Unzurechnungsfähigen, auf die der Eitle sich stützte, ihm Klagelieder singen. Vor einem Jahr ließ ich ihn höchstens sechs Jahre hier sein, jetzt konsequent etwa fünf. Es gibt aber jetzt so viele unter mir als damals ober mir waren. Doch genug für heute. Beiliegender Brief an Isabell erzählt Dir, warum ich mich über den jetzigen Zustand der Schule ärgere. Schreiberin ist ein etwa zwanzigjähriges Mädchen, ich aber bin auch im neuen Jahr Dein alter Freund

Felder

Schreibe bald!

Keine