VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
274
1. Januar 1867

Lieber Freund,

Glück zum neuen Jahre vor allen Dingen, Ihnen und den lieben Ihrigen und Ihren Sonderlingen, und auch, dem neuen Entwurfe von dem Sie zu reden scheinen, Sie haben mich damit neugierig gemacht, daß ich mich kaum enthalten kann eindringlicher zu fragen. Der Sepp und der Barthle usw. tre­ten nun ihre Wanderung an zunächst durch die Druckerei, vier Bogen sind schon gesetzt und durch die Hände des Cor­rectors gegangen, der freilich manchen Fehler hatte stehen lassen. Ich habe nicht ohne Mühe von Hirzel die Erlaubniß erwirkt, selbst eine letzte Correctur lesen zu können, und das ist mir sehr lieb, denn Ihre Handschrift ist oft nicht gut zu lesen, und es gibt auch in Orthographie und Interpunction mancherlei dran zu bessern und zu regeln. Auch Anmerkun­gen zur Erklärung uns fremder Wörter und Dinge sind doch hie und da nöthig, Hirzel wollte auch daran nicht, und nur mit Kämpfen hab ich ihn zu einiger Nachgibigkeit gebracht. Manches freilich ist mir auch dunkel, ich habe heute in aller Eile das aus der Druckerei noch einmal losgeeiste Manuscript rasch noch einmal durchgegangen und bitte Sie um Auskunft auf beiliegende Fragen.

Übrigens hab ich die ersten Capitel im reinlichen Druck mit innigem Behagen wieder durchgenommen, und auch was mir beim ersten Mal hier und da nicht recht gefallen wollte, sagt mir jetzt durchaus zu, und ich sehe dem Verfolg mit wärmster Erwartung entgegen; bis Ostern denk ich, oder früher wird das Buch vom Stapel laufen können in das Meer der Buchhandlungen und der Lesewelt. Hirzel selbst treibt nun mit wahrem Eifer.

Bei den ersten Bogen wäre es mir aber doch lieb, wenn Sie sie selbst sehen  könnten, vielleicht kann  ich  morgen von Hirzeln erwirken, daß er sie Ihnen zuschickt. Die Stelle, wo Franz die Mariann aufsucht und den Pfeifenköpf zerklopft, hab ich vorhin wieder gelesen, und bin von meinen damaligen Bedenken eigentlich zurückgekommen; lassen Sie es doch lieber beim ersten, ich wills Ihnen dießmal noch nicht zuschicken, falls Sie es nicht doch noch verlangen. Aber meine Bedenken wegen Mari's Verhalten gegen ihres Mannes kirchlichen Freisinn sind noch nicht beschwichtigt, auch daß sie von ihres Sohnes Wunde beim ersten Zusam­mentreffen mit ihm gar keine Notiz nimmt; das letztere er­scheint mir entschieden nicht recht mütterlich, wie ich Ihnen schon einmal schrieb.

Ein Umstand ist mir in Ihrer Bauernwelt noch sehr merkwür­dig, schon im Schwarzokaspale, daß nämlich die Liebenden auch in den innigsten und vertraulichsten Augenblicken nicht ans Küssen denken; das muß ja nach Ihrer Darstellung dort wirklich so sein. Dabei fällt mir ein, daß Sie mir einmal sagen wollten, wie Kuß und küssen bei Ihnen heißt, bitte sagen Sie mirs doch, das geheime Wort, ich bin ordentlich neugierig darauf.

Und noch etwas möcht ich wissen. Sie schrieben mir einmal, daß Ihr tapfres Wible (heißt sie nicht Mari? oder Mariann?) mit an den Sonderlingen geschrieben habe, ein Umstand der mich durchaus mit Respect vor ihr erfüllt (haben Sie etwa eine Photographie von ihr nach Sachsen zu schicken??); aber es ist ja noch eine dritte Hand darin zu sehen, wem in aller Welt gehört denn die? -

Ihre Wünsche in Betreff der Blätter will ich nächstens Hrn. Quellmalz mittheilen, ich bin noch nicht dazu gekommen; wir werden uns ja damit nach und nach einrichten. Auch zu Keil bin ich noch nicht gekommen, weil ich das dazu nöthige Rüstzeug, Ihre ersten Briefe, noch immer nicht aus Halle von Prof. Gosche zurückhabe; auch der 2. Band seines Jahrbuchs, den ich bestimmt vor Weihnachten noch erwar­tete, ist immer noch nicht erschienen. Ich werde ihn nun ein­mal mit einem directen Executionsbriefe heimsuchen. Zum Glück brauchen wir sein Urtheil nun nicht mehr, um die Sonderlinge von ihrem Banne zu erlösen.

Sie haben mir neulich nicht auf meine Frage geantwortet, welches Stück das war das Sie im Lindauer Theater sahen, ich möchte es doch wissen. Kennen Sie etwa zufällig die Familie Ostermeier in Lindau? Der Mann ist Lehrer an der Armenschule, seine Frau lernte ich zufällig kennen auf mei­ner Wanderung von Lindau nach Bregenz, die mich auch zu Ihnen führen sollte. Es wäre mir sehr angenehm, einmal wie­der von ihr etwas zu hören; ja ich möchte gern ihre Photo­graphie für mein Album haben und hab schon dran gedacht, ob ichs etwa durch Sie möglich machen könnte, natürlich mit Gegenseitigkeit. Andernfalls schreib ich vielleicht einmal direct an Ostermeiers.

Haben Sie denn eigentlich ein häusliches Weihnachtsfest? bei uns ist es der eigentliche Mittelpunkt des Familienlebens im Jahre, mit „Bescheren" und Christbaum. Kennen Sie diesen Christbaum? er wird wie ich höre allmälich auch in Süd­deutschland Sitte, was mich sehr freut, haben Sie ihn auch schon? auch in England, Rußland, Frankreich gewinnt dieß Kleinod norddeutscher Gemüthlichkeit immer mehr Boden, und dort zwar von den Höfen aus.

Nun denn, gute Nacht, liebster Felder, Ihre Bekanntschaft ist mir in meinem persönlichen Leben der Hauptgewinn dieses Jahres, und in dem eben angetretenen hoffe ich auch, einige Zeit mit Ihnen von Angesicht zu Angesicht verkehren zu kön­nen. Der Himmel schütze uns nur vor einem zweiten Kriege; bei uns richten sich die Gedanken auch der Widerstrebenden doch immer mehr auf die von dem halb dämonischen Bis­marck mit Gewalt gebrochene Bahn, wir sehen an deren Ende das heißersehnte neue große Vaterland. Was aber mit Ost­reich wird? Dort gährt es ja unheimlich - ich wollte Sie kämen bald alle mit zu uns, das ist der höchste Wunsch den ich jetzt habe. Aber nicht naseweis vorgreifen - Glück zu, lieber neuer Freund, wir arbeiten inzwischen nach Kräften am geistigen Vaterland fort,

Ihr

R. Hildebrand.

 

2. Jan früh nachts!

Vom Schwarzokaspale ist neulich ein Ex. nach Amerika ge­gangen mit einer neugegründeten deutschen Bibliothek, die Dr. Flügel, mein nächster Freund hier, zu besorgen hatte; ich schicke nächstens eins nach Norwegen an einen Norweger, dem ich eine Gegengabe schuldig bin. - Gestern Mittag hab ich mit den Meinen Sie in Rüdesheimer leben lassen, mir wars als müßen Sie da auch nach Leipzig denken.

1) l. Band Cap. 4: Therese war im Dorf nicht nur das reichste Mädchen,  sondern  sie war eine  Werchader  (?)  wie  es deren nur wenige [g]ab.

2) Cap. 5: Es ist für die ganze Gegend ein Nutzen, wenn der Fink den Wurf (?) nicht mehr allein in der Hand hat. Hand­habe an der Sense?

3) Cap. 7:  Es wäre sicher ein  Leichtes, den  und jenen zu einem vernünftigen Menschen zu machen, wenn man ihn nur allein hätte; mit dem Haufen aber ist nichts anzufan­gen; da ists ob man Bohnen auf beigen (?) wollte.

Im 2. Bande, wie Barthle den Gemeindediener fragt mit dem Gewehr: „Ist

4) der Lärmer da geladen?" Sagen Sie so? Dann lassen wirs stehen. Gleich

5) drauf: Ich geb Dir einen Gulden, wenn Du brechen las­sest? was heißt da

6) brechen eigentlich? und sagen Sie wirklich lassest, nicht lassest? Ebenso kommt haltest Du für hältst Du vor, sagen Sie so?, dann lassen wirs stehen.

7) Was bedeutet bei  Ihnen ein Kampel? von einem Men­schen gesagt.

8) Nicht wahr, Feld bedeutet bei Ihnen nur Wiesengrund, Wiesenfläche? wir hier können dabei nur an Getreide­felder denken.

9) Sie schrieben mir einmal mit der Klingel = Glockenschwen­gel; heißt das nicht genauer der Kiengel? d. i. i nur Aus­sprache von e? Ihr Hermindle bringt mich auf den Ge­danken und die Frage ist mir wissensch. von Wichtigkeit. Wie nennen Sie das helle Läuten mit der kleinen Glocke oder ähnlich (anschlagen u. a.), nicht klengen? oder klenken?

oder klingo? Sie könnten die Antworten gleich hier auf die Rückseite schreiben, ich will die Fragen numeriren.

Keine