AN JOHANN JOSEF FELDER IN LA ROCHELLE

lfndenr: 
30
10. August 1860

Theurer Freund!

Als wir vor 4 Jahren Abschid nahmen - Himmel Eher hätte ich ans Sterben gedacht, als daran, einmal einen so kalten Brief von Dir zu erhalten. Nein Freund, ich muß Dich Du nennen, also höre, hier in meinem Schreibpult ligt die Abschrift eines Briefes den ich am 27 Maj unfrankirt an Dich schikte u hernach glaubte ich: das Antworten sei an Dir. Ich bin noch imer der Alte. O ich hätte Dir so viel mitzutheilen, aber, großer Gott! Wenn ich an Deinen Brief denke so kann ich nichts thun, als mich u Dich Anklagen. Bisher zählte ich Dich mit Freude u Stolz zu den Wenigen, die ich Freunde nenne u die, ohne sich vom Herr Pfarrer Brillen zu holen, ganz gut sehen, das weis nicht Schwarz ist, u nun ??? Ja es thut mir in der Seele weh, so von Dir verkannt zu werden, denn verdient habe ich, bei Gott, das nicht.

Wenn Du mich noch ein wenig liebtest. Aber Dein Brief ver­leugnet jedes Gefühl dieser Art, also wen Du mich noch liebfesf so würde ich Dir bald mehr schreiben heute bin ich zu aufgeregt, denke Dich einmal in meine Lage, ich las eben u studirte in der Flugschrift: der Pabst u der Kongreß, u dachte an Dich u verwun­derte mich daß Du mir so lange einda kommt der Both u bringt Deinen Brief ich erbreche ihn das war vor 10 Minuten u noch zit­tert die Hand die diese Zeilen schreibt. Also von etwas anderm jetzt Ruhig armes Herze Du hast schon mehr erfahren. Schon vor drei Jahren stand ich am Grabe eines Mädchens das ich liebte ­o so innig - doch es ist vorüber u nun ist auch mein Freund tod für mich. Im Frühling dieses Jahres habe auch ich die Reise bis an die Grenzen der Ewigkeit gemacht aber, Gottlob ich lebe noch!

Theuerster Unvergeßlicher!

Villeicht nimmt Dein Herz doch noch einigen Antheil an mir undieser Voraussetzung will ich Dir erzählen das ich im Frühling in die Ach gestürtzt wurde. Ich trieb am 6 Juli 8 Kühe über den Schalzbacher Steg als ich auf der Mitte des Steges war brach die­ser unter der Last zusamen u ich u die Kühe stürzten ins Wasser das zu jener Zeit ungewöhnlich groß war. Ich wurde mitten zwi­schen Balken fortgeschwemmt hielt mich dann an ein Holzstük 3 Viertelstunden lang. Ja freund, so stand Dein Michel am 6 Juli Morgen von 1/4 u fünf bis 6 Uhr mitten in der reißenden Ach auf einem Stein jeden Augenblik den Tod erwartend, wenn nicht schnelle Hülfe käme, sie nahte aber eben in dem Augenblik ver­lies mich Alle Kraft u ich stürtzte von neuem ins Wasser. Josef Oberhauser Rettete mich mit eigner Gefahr aber es dauerte 2 1/2 Stunden ehe der Doktor das Schlagen meines Pulses bemerkte. Ich wurde neben dem Bade Unterüntschen aus dem Wasser gezo­gen. Ich hatte Löcher im Kopf u war sonst verletzt, aber jetzt ist alles wieder gut.

O ich möchte Dir noch viel schreiben. Aber ich bin heut zu auf­geregt. Aber ich nenne Dich doch Freund, ich verzeihe Dir alles. Aber ich bitte Dich wenn Du noch mein Freund bist so schreibe mir recht bald ich habe hier Viele die mich lieben Aber wenig Freunde. Die Leute sind so Philisterhaft u voll Vorurtheile u ich freute mich schon so oft auf die Zeit wo ich Dich wiedersehen würde. Dein Vater ist gesund u all die Deinen, meine Mutter laßt Dich freundlich grüssen.

Sonst Neues weis ich nichts ich bin hier völlig einsam, die Leute sagen ich werde Am Herbst heirathen - das ist nicht wahr, aber, doch davon das nächste Mahl wenn ich keine alten Freunde mehr hätte so würden mich auch die neuen Bekantschaften nicht mehr freuen, eh? Wie lebst Du, bist Du glüklich? kommst Du bald heim? O Tausend Fragen möchte ich an Dich thun. Schreibe doch las das vergangene vergangen sein. Lebe wohl Lieber Seppel. Mit Brudergruß

Dein Einzig treuer

deutscher Freund

Franz Michael