AN JOHANN JOSEF FELDER IN BORDEAUX

lfndenr: 
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20. April 1864

Lieber Freund!

Auf ein im vorigen Winter an Dich abgegangenes Schreiben habe ich vergebens eine Antwort erwartet. Im Dezember 1863 schikte ich Dir ein Exemplar meines „Nümmamüller" - u zwar auf Anrathen des Herrn Stettner in Lindau unfrankirtzu, der Hr Stett­ner meinte: „Du werdest es dann um so sicherer erhalten -" und ich meinte, die wenigen Batzen oder Franken werdest Du nicht ungern zahlen. Jedoch

Der Mensch denkt

Und Seppel lenkt.

Ich war nicht angenehm überrascht, als ich am 6 ten Febuar meine Sendung wieder zurük erhielt, u dafür 4 Gulden 30 Kreuzer zahlen mußte. Ich verzog das Gesicht, seuftzte ein wenig u zahlte, doch nahm ich mir vor, Dir einstweilen nicht mehr zu schreiben, den ich dachte Entweder Du magst mit keinem Bregenzerwälder mehr etwas zu thun haben, oder Du hast Deinen Aufenthaltsort verlassen ohne mich davon zu benach­richtigen, in beiden Fällen würde das Schreiben vergebens sein, Nun aber habe ich durch Vetter Hans erfahren, daß Du wenig­stens noch lebendig u gesund bist, daher wage ich es noch ein­mal, Dir einen Brief zuzuschiken, u zwar einen frankirten, wen es nichts kostet, bist Du villeicht so gut ihn zu lesen Ich u die Meinigen sind gesund u wohl, Ein Glük ist es für mich daß ich jetzt ein eigenes Schreib- und Lesezimer habe, in dem ich jede freie Stunde zubringe u arbeite, denn in der Stube hantieren zwei gesunde Buben (junge Räbis) daß man zuweilen sein eigen Wort kaum hört. Auch Dein Vater u Deine Schwester sind wohl, die Mutter (?) jedoch ist etwas kränklich u dürfte villeicht nicht mehr manches Jahr zu leben haben. In unserem Dörfchen hat sich im allgemeinen nichts, in den einzelnen Häusern dagegen sehr viel geändert; doch würdest Du mir schwerlich danken, wenn ich Dir alle Mädchen welche geheirathet haben, alle Weiber, welche gestorben sind, aufzählen wollte. Franz Jochum ist von Wien zurükgekommen u hat diesen Winter größtentheil bei mir verlebt. Er läßt Dich recht freundlich grüssen.

Mein Büchlein wird, scheint es günstig aufgenomen, die vorarl­berger Landeszeitung, die S.T. Gallen Blätter, der Bothe für Tirol u Vorarlberg haben sich lobend darüber außgesprochen u die Europa eine weitverbreitete norddeutsche Zeitung hat mich mit Herrmann Schmid, einem der beliebtesten neuen Schriftsteller ­verglichen. Von Herrn Jos Bergman kais Rath und Custos in Wien habe ich eine freundliche Einladung zu ändern Arbeiten erhalten, die ich dann auch wirklich im Laufe dieses Winters vollendete.

Nun aber genug von mir. Es wäre mir ungemein lieb, auch von Dir wieder einmal etwas zu vernehmen. Das, was Du mir in Deinem letzten Briefe zu übersenden versprachst, habe ich nicht erhalten. Kommst Du nicht bald einmal zur „Stubat"? Bist Du noch unverheirathet? Solche Fragen hätte Dein Freund noch viele.

Von Politik mag ich Dir nicht schreiben u die Tagesgeschichte wird Dich wenig intressiren Du wirst mich daher entschuldigen, wen ich für heute mich kürzer fasse, als es sonst Deines plauder­haften Freundes Gewohnheit ist.

Wenn eine Antwort von Dir mich überzeugt haben wird, daß auch Du Deinen alten Freund noch nicht vergessen dan werde ich mit Freuden und öfter schreiben, als dieses bisher der Fall gewesen ist.

Meine Mutter u meine Nannj (so heißt Mein Weibchen) lassen Dich grüssen, den Deinen habe ich nichts davon gesagt daß ich Dir schreibe. Dein Vater ist jetzt Abonnent einer Zeitung, die ihn, nebst anderer Lektüre (Ich thue auch das Meine) etwas freisinni­ger gemacht hat, die Augen Deiner Schwester sind weder besser noch schlimmer geworden. Siberles Mariannele hat schon 3 Kin­der Beim Michele ist noch alles im Alten. Und nun lebe wohl!!

Mit Brudergruß und Handschlag Dein alter und immer älter wer­dendes Freundchen

Franz Michael Felder

Am Rand: Lieber Freund! Deinen Brief nach Wien habe ich erhal­ten u. Dir eine Antwort in Kraut französisch geschickt; ob Du es empfangen, weiß ich nicht. Ich bin schon längere Zeit hier u. bereite mich auf die Rigorosen vor. In Bälde werde ich vermuth­lich in irgend einer Kanzlei stecken. Schreibe auch mir einmal wieder ein paar Zeilen, ich werde Dir dann auch mehr schreiben, als hier auf einem schon fast voll geschriebenen Blatte Platz hat. In der Hoffnung, daß Du gesund u. glücklich bist, harrt auf baldi­ge Nachricht von Deinem Befinden im Lande der Gallier Dein alter Freund

Fr Jochum.